Titelangaben
Goldschmidt, Marlen:
Unterricht zum Thema Grüne Gentechnik im außerschulischen Lernort Labor : Schülervorstellungen, unterrichtliche Umsetzung von Schülerdiskussionen und geschlechtsspezifische Unterschiede.
Bayreuth
,
2015
. - 155 S.
(
Dissertation,
2015
, Universität Bayreuth, Fakultät für Biologie, Chemie und Geowissenschaften)
Volltext
Abstract
Die Grüne Gentechnik als ein hochaktuelles, gesellschaftlich kontrovers diskutiertes Thema bedarf einer konsequenten Thematisierung im heutigen Schulunterricht. Jenseits der gesellschaftlichen Brisanz eignet sich dieser Themenbereich in besonderer Weise zur Förderung der Bewertungs- und Kommunikationskompetenz, wenn Schüler dabei nicht nur relevantes Fachwissen erwerben, sondern sich auch mit öffentlichen Diskussionen auseinandersetzen, mögliche Handlungsoptionen durchspielen und letztendlich einen eigenen individuellen Standpunkt finden und vertreten. Für diesen Bildungsauftrag ist der Einsatz interaktiver und Schüler-zentrierter Unterrichtsansätze (z.B. Diskussionen und Rollenspiele) hervorragend geeignet, allerdings in seiner Umsetzung im schulischen Alltag oftmals schwierig. Zur Bewertung von Chancen und Risiken der Grünen Gentechnik gehört ein konsequenter Bezug zur landwirtschaftlichen Praxis und weltweiten Nahrungsmittelproduktion. Dieser gestaltet sich jedoch immer schwieriger, da sich heutige Schüler-Generationen zunehmend von der Landwirtschaft entfernen (Ernst & Theimer, 2011): Entsprechende aktuelle Schülervorstellungen sind daher von großer Relevanz für eine Unterrichtsgestaltung. Frühere Studien haben die positiven Auswirkungen des Einbezugs von Schülervorstellungen in den Unterricht empirisch belegt (Franke & Bogner, 2011). Das Thema Gentechnik kann im konventionellen Unterricht meist nur auf theoretischer Ebene behandelt werden, praktische Versuche in diesem Kontext sind in der Schule aus finanziellen oder organisatorischen Gründen oft nicht möglich. Dadurch gewinnt der außerschulische Lernort Labor an zusätzlicher Bedeutung, um Schülern eigene praktische Erfahrungen zu ermöglichen und hierdurch eine ganzheitliche naturwissenschaftliche Grundbildung (scientific literacy) zu fördern. Im Rahmen dieser Promotionsarbeit wurde ein experimentelles Unterrichtsmodul zum Thema Grüne Gentechnik für die zehnte Jahrgangsstufe der Realschule entwickelt und im Bayreuther Demonstrationslabor Bio-/Gentechnik implementiert. Es baut auf früheren Arbeiten auf (Franke & Bogner, 2011; Scharfenberg & Bogner, 2010, 2011), deckt lehrplankonforme Inhalte ab und integriert eine Theorie-, eine Praxis- und eine Diskussionsphase; letztere wurde zwischen verschiedenen instruktionalen Ansätzen (Lehrer- versus Schüler-zentrierte Diskussionsformen) variiert. Für die empirische Evaluationsanalyse wurden im Rahmen eines dreistufigen Testdesigns (Vor-, Nach-, Behaltenstest) quantitative und qualitative Daten von 583 Schülern aus 29 Klassen erhoben. Dabei wurden Schülervorstellungen zur landwirtschaftlichen Praxis ermittelt, das subjektive und objektive Wissen evaluiert, die kognitive Auslastung der Lernenden betrachtet sowie Daten zur intrinsischen Motivation und zu den Hoffnungen und Ängsten der Schüler gegenüber der Grünen Gentechnik gesammelt. Im Zusammenhang mit der Cognitive Load Theory (Sweller, Van Merriënboer, & Paas, 1998) wurden verschiedene instruktionale Ansätze in der Diskussionsphase mit Bezug zur kognitiven Leistung und Auslastung sowie zur instruktionalen Effizienz (Paas & Van Merriënboer, 1993; Scharfenberg & Bogner, 2011) bewertet (Teilarbeit A). Außerdem wurden Hoffnungen und Ängste von Schülern (Teilarbeit B) sowie Schülervorstellungen zur landwirtschaftlichen Praxis (Teilarbeit C) inhaltsanalytisch untersucht, um im Zusammenhang mit der Conceptual Change Theory (Posner, Strike, Hewson, & Gertzog, 1982) Anknüpfungspunkte für den Unterricht aufzuzeigen (Franke, Scharfenberg, & Bogner, 2013). Im Hinblick auf das Unterrichtsmodul wurde zudem der Einfluss intrinsischer Motivation auf den Lernerfolg untersucht und geschlechtsspezifische Unterschiede im Zusammenhang mit dem Wissenszuwachs und der instruktionalen Effizienz analysiert (Teilarbeit D). Die Ergebnisse zeigten, dass die instruktionale Effizienz bei der Lehrer-zentrierten Diskussionsform am höchsten war (Teilarbeit A). Die klare Strukturiertheit und die moderierende Rolle des Lehrers führten dabei wohl zu einer optimierten Wissensvermittlung. Um der Forderung nach Schüler-zentrierten Ansätzen im Unterricht nachzukommen (z.B. Bennett, Hogarth, Lubben, Campbell, & Robinson, 2010) und eine aktivere Beteiligung der Schüler zu fördern, bedarf es einer schrittweisen Öffnung der Lehrer-zentrierten hin zu Schüler-zentrierten Unterrichtsansätzen (Day & Bryce, 2011). Hoffnungen und Ängste von Schülern gegenüber der Grüner Gentechnik (Teilarbeit B) orientieren sich inhaltlich an den in der Öffentlichkeit diskutierten Argumenten und Standpunkten (ökonomischen Vorteile für Erzeuger und Verbraucher, Welthungerproblem, unvorhersehbaren Langzeitfolgen, generellen Risiken für Mensch und Natur). Die Ergebnisse zeigen hilfreiche Ansatzpunkte für den Unterricht, um die Fähigkeit zur eigenen kritischen Reflexion und die Erweiterung des Toleranzrahmens zu fördern (Reitschert & Hössle, 2007). Die ermittelten Vorstellungen der Schüler zur landwirtschaftlichen Praxis (Teilarbeit C) entsprachen einem eher einfachen und stereotypen Bild (Pflanzenanbau, Tierhaltung). Aspekte der modernen Landwirtschaft (z.B. Biogasherstellung) wurden nur selten genannt, was eine Entfremdung der Schüler von der Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion sowie die Notwendigkeit von Bildungsmaßnahmen in diesem Bereich verdeutlichen kann (siehe oben). Der Lernerfolg im Rahmen des Unterrichtsmoduls (Teilarbeit D) zeigte eine Abhängigkeit von der intrinsischen Motivation. Außerdem waren der Wissenszuwachs sowie die instruktionale Effizienz bei Mädchen deutlich höher. Die aktive Beteiligung und die praktischen Erfahrungen im Labor begünstigten vermutlich ihr Lernen, weshalb eine Intensivierung von praktischen Laborerfahrungen im Biologieunterricht empfohlen wird, um die noch immer existierenden geschlechtsspezifischen Unterschiede zu überwinden (Fortus & Vedder‐Weiss, 2014). Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das entwickelte Unterrichtsmodul Fachwissen mit eigenen praktischen Erfahrungen schülergerecht vermitteln und mit einer Diskussion zum Thema Grüne Gentechnik gewinnbringend verknüpfen konnte. Die erzielten Ergebnisse zeigen relevante Schülervorstellungen und deuten auf Konsequenzen für die unterrichtliche Umsetzung des Themas hin. Außerdem wird die Relevanz von praktischen Laborerfahrungen im Biologieunterricht bekräftigt.
Abstract in weiterer Sprache
Plant genetic engineering is a highly topical and controversially discussed issue which needs special consideration in educational contexts. This socio-scientific issue is particularly suitable for fostering students’ decision-making competence and communication competencies: This context provides the students the opportunity to gain relevant factual knowledge, to learn to face controversial public discussion, to assess various potential solutions, and to find and communicate their individual point of view. Interactive and student-centered approaches (e.g., discussion and role play) are particularly suitable for this educational goal, but such approaches are somewhat difficult to implement in everyday school life. To assess the benefits and risks of plant genetic engineering, it is necessary for the students to develop a connection to current agricultural practices and worldwide food production. However, this is difficult, since the alienation of the younger generation from agriculture continues to grow (Ernst & Theimer, 2011). Consequently, students’ actual preconceptions within this context are relevant for lesson preparation. Previous empirical studies suggest that addressing students’ preconceptions during instruction has a positive effect (Franke & Bogner, 2011). Within the normal school context, the issue of plant genetic engineering can only be considered on the theoretical level. Providing appropriate practical experience at school is unfeasible due to resource and time limitations. Therefore, outreach laboratories are becoming increasingly popular to allow students to gain practical laboratory experience while also promoting the development of students’ scientific literacy. Within the framework of this research study, an educational intervention about plant genetic engineering was developed for 10th graders in the final class of vocational secondary school. The project was realized in the outreach laboratory of the University of Bayreuth. The educational intervention was based on previous studies (Franke & Bogner, 2011; Scharfenberg & Bogner, 2010, 2011) and met the curricular guidelines for the target group. The intervention included three phases: a theoretical phase, a hands-on experimental phase, and a discussion phase. Within the discussion phase, different treatments were employed to compare different instructional approaches (teacher-guided versus student-centered approaches). A three-step design (pre-, post-, and retention test) was used for the empirical evaluation analysis. Quantitative as well as qualitative data were collected from 29 classes with 583 students in total. The data collection included the students’ preconceptions with regard to agricultural practices, their subjective and objective knowledge, their mental effort and intrinsic motivation, as well as their hopes and fears regarding plant genetic engineering. In accordance with the Cognitive Load Theory (Sweller, Van Merriënboer, & Paas, 1998), different instructional approaches in the discussion phase were compared with respect to cognitive load, cognitive achievement, and instructional efficiency (Paas & Van Merriënboer, 1993; Scharfenberg & Bogner, 2011) (study A). Furthermore, the students’ hopes and fears (study B) as well as their preconceptions regarding agricultural practices (study C) were interpreted by qualitative data analysis to reveal potential recommendations for instruction (Franke, Scharfenberg, & Bogner, 2013) in accordance with the Conceptual Change Theory (Posner, Strike, Hewson, & Gertzog, 1982). The relation between intrinsic motivation and cognitive achievement through the educational intervention was investigated, and gender differences were analyzed with respect to cognitive achievement and instructional efficiency (study D). The results indicated that the highest instructional efficiency was achieved with the teacher-guided discussion approach (study A). Students’ achievement was probably enhanced through the teacher’s effective and structured guidance. To support student-centered approaches and students' active engagement (e.g., Bennett, Hogarth, Lubben, Campbell, & Robinson, 2010), a step-by-step progression from teacher-centered to student-centered approaches should be made (Day & Bryce, 2011). The students’ hopes and fears regarding plant genetic engineering (study B) were generally based on the common arguments given in the public debate (economic advantages for farmers and customers, the fight against world hunger, unpredictable long-term effects, and hazardous risks). The results revealed useful instructional recommendations for facilitating students’ critical self-reflection and tolerance (Reitschert & Hössle, 2007). The students’ preconceptions concerning agricultural practices (study C) were very simple and stereotypic (cultivation of plants, animal husbandry). Other aspects of modern agriculture (e.g., biogas production) were rarely mentioned. These results are possibly associated with the students’ alienation from agricultural practices and food production. Therefore, education might be necessary to address the problem of alienation (see above). The cognitive achievement gained through the educational intervention was positively influenced by the students’ intrinsic motivation (study D). Moreover, the cognitive achievement and the instructional efficiency were higher for the female students. The active engagement and practical laboratory activities were probably more beneficial for the female students’ learning. Therefore, improving laboratory experiences in biology education is recommended to overcome the still-existing gender differences (Fortus & Vedder‐Weiss, 2014). In conclusion, the results indicate that the educational intervention was suitable for connecting knowledge gain to practical laboratory experiences and a discussion about plant genetic engineering. The results revealed the students’ preconceptions and suggest some useful implications for instruction within this context. Furthermore, the study underscores the need for practical laboratory experience in biology education.
Weitere Angaben
Publikationsform: | Dissertation (Ohne Angabe) |
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Keywords: | Didaktik; Biologie; Schülerlabor; außerschulischer Lernort; handlungsorientierter Unterricht; Experimentieren; Schülerdiskussion; Grüne Gentechnik; Schülervorstellungen; cognitive load; instructional efficiency; Wissen; geschlechtsspezifische Unterschiede; Motivation |
Themengebiete aus DDC: | 500 Naturwissenschaften und Mathematik 500 Naturwissenschaften und Mathematik > 500 Naturwissenschaften |
Institutionen der Universität: | Fakultäten Fakultäten > Fakultät für Biologie, Chemie und Geowissenschaften Fakultäten > Fakultät für Biologie, Chemie und Geowissenschaften > Fachgruppe Biologie Fakultäten > Fakultät für Biologie, Chemie und Geowissenschaften > Fachgruppe Biologie > Lehrstuhl Didaktik der Biologie Fakultäten > Fakultät für Biologie, Chemie und Geowissenschaften > Fachgruppe Biologie > Ehemalige ProfessorInnen > Lehrstuhl Didaktik der Biologie - Univ.-Prof. Dr. Franz Xaver Bogner Graduierteneinrichtungen Graduierteneinrichtungen > University of Bayreuth Graduate School Fakultäten > Fakultät für Biologie, Chemie und Geowissenschaften > Fachgruppe Biologie > Ehemalige ProfessorInnen |
Sprache: | Deutsch |
Titel an der UBT entstanden: | Ja |
URN: | urn:nbn:de:bvb:703-epub-2084-8 |
Eingestellt am: | 17 Jul 2017 08:21 |
Letzte Änderung: | 17 Jul 2017 08:29 |
URI: | https://epub.uni-bayreuth.de/id/eprint/2084 |