URN zum Zitieren der Version auf EPub Bayreuth: urn:nbn:de:bvb:703-epub-8721-7
Titelangaben
Dürrmann, Andreas:
Spin Crossover in Eisen-Komplexen mit bis-meridionaler Koordinationsumgebung.
Bayreuth
,
2025
. - XI, 281 S.
(
Dissertation,
2025
, Universität Bayreuth, Bayreuther Graduiertenschule für Mathematik und Naturwissenschaften - BayNAT )
Volltext
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Abstract
Spin Crossover (SCO) ist eine faszinierende Erscheinung schaltbarer Moleküle und beschreibt den Wechsel zwischen zwei Elektronenkonfigurationen in bestimmten 3d-Übergangsmetallkomplexen (1/HS: high-spin ⇌ 0/LS: low-spin). Diese Dissertation beinhaltet drei Manuskripte, die SCO an komplexen Verbindungen des zwei- und dreiwertigen Eisens behandeln. Dabei basieren die Untersuchungen auf zwei miteinander verwobenen Fragestellungen: (i) Wie kann synthetische Modifikation am Liganden das enge Energiefenster des thermischen SCOs treffen? (ii) Wie übersetzt sich das molekulare Motiv auf die makroskopischen Eigenschaften der kristallinen Materialien? Aus der Chemie molekularer Kristalle ist wohlbekannt, dass subtile Variation am Molekül mit massiven Änderungen des supramolekularen Verbunds einhergehen kann. Ebenso heikel stellt sich die Situation dar, möchte man den Sachverhalt auf die Beziehung zwischen molekularer Struktur und SCO-Verhalten im Kristall übertragen. Die vorliegende Arbeit leistet einen Beitrag, um die kooperativen Wechselwirkungen innerhalb kristalliner SCO-Materialien besser zu verstehen. Zentraler Gegenstand ist dabei die detaillierte Diskussion von Struktur-Eigenschafts-Beziehungen im Kontext des SCOs und der Koordinationschemie meridional-koordinierender NNʹO-Liganden mit Eisen in den Oxidationsstufen +II/+III. Als analytische Methoden kommen hier unter anderem SQUID-Magnetometrie, Röntgendiffraktometrie am Einkristall und 57Fe-Mößbauer-Spektroskopie zur Sprache. Das erste Manuskript diskutiert die magnetischen Eigenschaften einer Eisen(III)-Verbindung der Stöchiometrie {FeL2[B(Ph)4]} ≡ FeB (L: mono-anionischer Dreizahnligand mit Imidazol-Motiv). Innerhalb des Temperaturfensters von T½≈ 75–110 K zeigt FeB molekulare Bistabilität, sodass richtungsabhängig der high- oder low-spin-Zustand stabil ist und über die ca. 35 K breite Hystereseschleife ein digitaler Systemzustand (1/HS oder 0/LS) geschrieben werden kann. Außerdem wird der Übergang HS→LS von kinetischen Effekten begleitet, was aufgrund des geringeren Maßes intramolekularer Änderungen im Vergleich zu Eisen(II)-Verbindungen eine ungewöhnliche Beobachtung darstellt. Vielmehr stellte sich aber heraus, dass FeB nicht nur digitale Zustände adressieren kann, sondern der Zugang zu analogen Systemzuständen möglich ist. Dabei wird der Boltzmann-Charakter von molekularem SCO (wie z. B. in Lösung) von der Temperaturdomäne in die Domäne des Temperaturgradienten überführt. Daraus ergibt sich unterhalb einer kritischen Temperatur die Einstellung beliebiger Mischungen von HS und LS (multi-inerte Zustände: HS→LS-Relaxation wird kinetisch inert ab Tkrit. = 50 K). Demnach wird der makroskopische Systemzustand nicht von einer Temperatur bestimmt, sondern einzig von der Geschwindigkeit, mit der diese Temperatur erreicht wird. Das Erscheinungsbild begrenzt sich nun nicht mehr auf die scharfe Abtrennung zwischen 1 oder 0, sondern erweitert sich auf ein kontinuierliches Spektrum stationärer Zustände, die sich lediglich als Funktion der Abkühlgeschwindigkeit beschreiben lassen. Ursächlich für bistabile und multi-inerte Zustände sind kooperative Wechselwirkungen der SCO-aktiven Einheiten. In der Kristallpackung von FeB speziell existiert innerhalb der ac-Ebene ein Netzwerk aus Wasserstoffbrückenbindungen, dessen Stärke sich im HS- und LS-Zustand zwar unterscheidet, dessen Topologie aber erhalten bleibt. Hier kommt dem Anion Tetraphenylborat eine bedeutsame Rolle zu, da es den passenden Abstand von Donor- und Akzeptoratomen intermolekularer Kontakte gewährleistet. Gleichzeitig ist der Übergang zwischen HS und LS nicht mit einer kristallographischen Phasenänderung verbunden – der Spinübergang verläuft kristallographisch konservativ. Diese Tatsache eröffnet einen reversiblen Verlauf, sodass Temperaturerhöhung multi-inerte Zustände zurücksetzen und wiederholtes Abkühlen mit einer anderen Geschwindigkeit einen neuen Zustand einstellen kann. Das zweite und dritte Manuskript setzen den Fokus auf Eisen(II)-Komplexe der Stöchiometrie [Fe(Lx)2] (Lx: mono-anionischer Dreizahnligand mit Chinolin-Motiv und variablem Rückgrat x für die Feinstellung des SCO-Verhaltens). Im Unterschied zu FeB setzt sich die gesamte Kristallpackung aus dem neutralen SCO-Komplex selbst zusammen, sodass Struktur-Eigenschafts-Beziehungen aus unverdünnten Kristallpackungen abgeleitet werden können. Zunächst (zweites Manuskript) erfolgte am Ligandrückgrat eine Variation zwischen CH3- und CF3-Gruppen, was sich qualitativ in drei unterschiedlichen SCO-Profilen äußert. Der Übergang von dynamischem SCO für [Fe(L1)2] (TTIESST = 97 K; T½ = 124 K) zu abruptem SCO mit Hysterese für [Fe(L2)2] (T½ = 132/137 K) hin zu kontinuierlichem SCO für [Fe(L3)2] (T½ = 280 K) zeigt eine Abnahme der Kooperativität an. Während [Fe(L1)2] und [Fe(L2)2] isostrukturell sind, kommt es bei [Fe(L3)2] zu einer veränderten Kristallsymmetrie, sodass sich infolge eines erhöhten Abstands der Komplexmoleküle die Kooperativität reduziert. Anstelle von C–X⋯pi-Kontakten (X = H oder F) treten pi⋯pi-Wechselwirkungen auf, die das supramolekulare Motiv von einer Kettenstruktur zu einer zickzackförmigen Anordnung der Moleküle hinbewegt. Zudem erfolgt eine Stabilisierung des LS-Zustands, da sich T½ in Richtung Raumtemperatur verschiebt. So bedingt der zunehmende Austausch von CH3- mit CF3-Substituenten nicht nur die Transformation des kooperativen Regimes, sondern ist auch mit der Veränderung der intrinsischen elektronischen Struktur (Ligandenfeld) verbunden. Im dritten Manuskript wird die Komplexfamilie [Fe(Lx)2] um fünf weitere Mitglieder ergänzt, wobei die Substitution am Ligandrückgrat nun zwischen –CH3-, –C6H5- und –OCH2CH3-Gruppen variiert. [Fe(L4)2] (abrupt ohne Hysterese; T½ = 219 K) und [Fe(L8)2] (graduell; T½ = 246 K) zeigen einen vollständigen SCO, [Fe(L5)2] dagegen verbleibt über den gesamten Temperaturbereich im HS-Zustand. Im Gegensatz dazu findet sich für [Fe(L6)2] und [Fe(L7)2] ein unvollständiger Verlauf, mit entweder einem kleinen LS-Anteil unter 126 K ([Fe(L7)2]) oder einer dominanten LS-Spezies bereits um Raumtemperatur ([Fe(L6)2]). Des Weiteren zeigte sich eine Entkopplung des magnetischen Übergangs von ausgeprägten Strukturänderungen bei [Fe(L4)2] und [Fe(L8)2], sodass auch hier ein kristallographisch konservativer SCO stattfindet. Die entsprechenden Singulett- und Quintett-Zustände der gesamten Komplexfamilie [Fe(Lx)2] (x = 1–8) wurden mit 57Fe-Mößbauer-Spektroskopie näher beleuchtet.
Abstract in weiterer Sprache
Spin crossover (SCO) is a fascinating phenomenon of switchable molecules and refers to the transition between two electronic configurations in certain 3d transition metal complexes (1/HS: high-spin ⇌ 0/LS: low-spin). This thesis comprises three manuscripts that explore SCO in complexes of di- and trivalent iron. The studies are guided by two interrelated questions: (i) How can synthetic ligand modifications be used to target the narrow energy window required for thermal SCO? (ii) How does the molecular motif translate into the macroscopic properties of crystalline materials? It is well established in crystal chemistry that even subtle variations in molecular structure can lead to substantial changes in supramolecular assembly. Similarly, predicting how structural details affect SCO behaviour remains challenging. This work contributes to understanding the cooperative interactions within crystalline SCO materials, focusing on structure-property relationships in the context of SCO and the coordination chemistry of meridional-coordinate NNʹO ligands with iron(+II/+III). Analytical techniques employed include SQUID magnetometry, single-crystal X-ray diffraction, and 57Fe Mössbauer spectroscopy. The first manuscript sheds light on the magnetic properties of the iron(III) compound {FeL2[B(Ph)4]} ≡ FeB (L: mono-anionic tridentate ligand with imidazole motif). Within the temperature window of T½ ≈ 75–110 K, FeB exhibits molecular bistability, such that either the high-spin or low-spin state is stabilized depending on the direction of the temperature change. Across the approximately 35 K-wide hysteresis loop, a digital system state (1/HS oder 0/LS) can be set. Remarkably, the transition HS→LS is accompanied by kinetic effects – an unusual observation as SCO in iron(III) typically involves minimal intramolecular structural change in comparison to iron(II) complexes. Moreover, FeB allows not only digital switching but also access to analog states. Here, the BOLTZMANN character of molecular SCO (e. g., in solution) is transferred from the temperature domain to the domain of the temperature gradient. This results in arbitrary mixtures of HS and LS below a critical temperature (multi-inert states: HS→LS relaxation becomes kinetically inert at Tcrit = 50 K). Accordingly, the macroscopic system state is not determined by absolute temperature, but rather by the rate at which this temperature is reached. Hence, the system no longer has a binary limit between 1 and 0, but stationary states form a continuous spectrum that is solely dependent on the cooling rate. Bistable and multi-inert states originate from cooperative interactions of the SCO-active units in the crystal packing. Within the ac plane, there is a two-dimensional network of hydrogen bonds. Although the strength differs among the HS and LS states, the topology is essentially unchanged. The tetraphenylborate anion plays a key role by ensuring optimal intermolecular contact distances. The transition between HS and LS is not associated with a crystallographic phase change – i. e., the spin transition is crystallographically conservative and fully reversible. Heating resets the system, allowing a new state to be set via a different cooling rate. The second and third manuscript deal with iron(II) complexes [Fe(Lx)2] (Lx: mono-anionic tridentate ligand with quinoline motif and variable backbone x for tine-tuning of SCO properties). Unlike FeB, the crystal packing of [Fe(Lx)2] consists merely of the neutral SCO complex, so that structure-property relationships can be derived from undiluted crystal packings. The second manuscript concerns the variation of CH3 and CF3 groups in the ligand backbone which is qualitatively reflected in three different SCO profiles. The transition from dynamic SCO for [Fe(L1)2] (TTIESST = 97 K; T½ = 124 K) to abrupt SCO with hysteresis for [Fe(L2)2] (T½ = 132/137 K) to continuous SCO for [Fe(L3)2] (T½ = 280 K) indicates a decrease in cooperativity. While [Fe(L1)2] and [Fe(L2)2] are isostructural, [Fe(L3)2] undergoes a change in crystal symmetry, so that the cooperativity is reduced due to an increased distance between the complex molecules. Instead of C–X⋯pi contacts (X = H or F) there are pi⋯pi interactions, altering the supramolecular motif from a chain structure to a zigzag arrangement. In addition, the LS state is stabilised, as indicated by the shift of T½ towards room temperature. Thus, not only is the cooperative regime transformed by the exchange of CH3 with CF3, but also the intrinsic electronic structure (ligand field) will change. In the third manuscript, the complex family [Fe(Lx)2] is extended by five members, with –CH3, –C6H5 and –OCH2CH3 substituted ligand backbone. [Fe(L4)2] (abrupt without hysteresis; T½ = 219 K) and [Fe(L8)2] (gradual; T½ = 246 K) undergo a complete SCO, whereas [Fe(L5)2] remains in the HS state over the entire temperature range. In contrast, [Fe(L6)2] and [Fe(L7)2] show an incomplete transition, with either a small LS fraction below 126 K ([Fe(L7)2]) or a dominant LS species already around room temperature ([Fe(L6)2]). Furthermore, the magnetic transition in [Fe(L4)2] and [Fe(L8)2] is decoupled from pronounced structural changes, so that there is also a crystallographically conservative SCO. The full complex series [Fe(Lx)2] (x = 1–8) was further characterised by 57Fe Mössbauer spectroscopy to distinguish between singlet (LS) and quintet (HS) spin states.

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