URN zum Zitieren der Version auf EPub Bayreuth: urn:nbn:de:bvb:703-epub-7343-2
Titelangaben
Köhler, Leonhard:
Biochemische Evaluation und strukturelle Optimierung von Naphtopyran-Derivaten mit Mikrotubuli-destabilisierenden, antiangiogenen und c-MYB-inhibierenden Eigenschaften.
Bayreuth
,
2023
. - 171, XIII S.
(
Dissertation,
2023
, Universität Bayreuth, Fakultät für Biologie, Chemie und Geowissenschaften)
Volltext
|
|||||||||
Download (32MB)
|
Abstract
Seit mehr als einem Jahrhundert arbeitet die internationale Forschungsgemeinschaft an der Entwicklung neuer Therapien für maligne Neoplasien. Trotz immenser Investitionen ist die Entdeckung eines Heilmittels nicht absehbar und stellt auch die modernsten Behandlungsstrategien immer wieder vor neue Herausforderungen. Da Krebs in sehr unterschiedlichen Zelltypen entsteht, führen die spezifischen Eigenschaften des Ursprungsgewebes zu einem sehr komplexen Krankheitsbild. Das macht eine universelle Therapie unmöglich und in den meisten Fällen den Einsatz von Kombinationstherapien erforderlich. Genetische Instabilität und stressbedingte Selektion der Krebszellen begünstigen die Weitergabe von Onkogenen und verursachen unbeständige Krankheitsverläufe. Aus diesem Grund müssen hochdosierte Zytostatika mit schwerwiegenden Nebenwirkungen eingesetzt werden, um die Resistenzentwicklung und Differenzierung der Krebszellen zu unterdrücken und so Tumorrezidiven vorzubeugen. Mit der gezielten Kombination verschiedenartiger, Target-spezifischer Pharmakophore zu multifunktionalen Wirkstoffen können jedoch therapieassoziierte Begleiterscheinungen, antagonistische Wechselwirkungen oder Resistenzen verringert wurden. Die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten präklinischen Studien umfassen drei Substanzserien potenzieller Wirkstoffkandidaten, die hinsichtlich ihrer biochemischen Eigenschaften charakterisiert und optimiert wurden. Strukturell leiten sich die Testsubstanzen von den antiproliferativen sowie Tubulin-destabilisierenden Wirkstoffen LY290181 und Combretastatin A4 ab, wobei durch die gezielte Modifikation des 2-Amino-4-phenyl-4H-chromen-3-carbonitril-Grundgerüsts verschiedene biologische Targets adressiert werden. An humanen Krebszelllinien konnten die entitätenspezifische Selektivität des antiproliferativen Potentials (MTT-Assay), intrazelluläre Lokalisation (Alkin-Azid-Click Chemie) sowie substanzinduzierte Effekte auf Zellzyklus (FACS-Analyse), Zytoskelett (Konfokalmikroskopie) und Zellmotilität (2D Tube-Formation-Assay) evaluiert werden. Weitere molekulare Wirkmechanismen wie Interferenz mit Mikrotubulidynamik, Caspaseinduktion, CDK1-Aktivität oder metabolischer Stabilität wurden mittels in-vitro-Enzym-Assays untersucht. Außerdem ermöglichte ein neuartiger Luciferase-Reporter-Assay das Screening potenzieller Inhibitoren der c MYB-vermittelten Transkription. Im Zebrafisch-Modell konnten sowohl die antiangiogenen Effekte als auch die Toxizität in vivo evaluiert werden, was darüber hinaus Hinweise auf die therapeutische Breite bei Vertebraten gibt. Ergänzend wurden pharmakokinetische ADME-Simulationen (Absorption distribution metabolism and excretion) und Docking-Studien (Tubulin) durchgeführt. Im ersten Teilprojekt konnten für drei von fünfzehn 4H,5H-Pyran[3,2-c]chromen-5-on-Derivate neben spezifischer Zytotoxizität gegenüber malignen Zellen auch moderate Tubulin-bindende und Mikrotubuli-destabilisierende Effekte nachgewiesen werden. In diesem Zusammenhang sind vor allem die Substanzen mit ein- oder zweifach halogenierten Methoxyphenyl-Gruppen hervorzuheben. Die Immunofluoreszenzfärbung des Zytoskeletts zeigte ein vermehrtes Auftreten von Spindelabberationen und einen deutlichen Anstieg an bi- und multipolaren Mitosespindeln. Der beobachtete G2/M-Zellzyklusarrest konnte mit einer reduzierten CDK1 Aktivität und der vermuteten Akkumulation im Zellkern in Zusammenhang gebracht werden. Obwohl signifikante antiangiogene Effekte im Zebrafischmodell beobachtet wurden, lagen die wirksamen Konzentrationen relativ nahe an der letalen Dosis, was auf eine hohe in-vivo-Toxizität hindeutet. Die im zweiten Teilprojekt behandelten 4H-Benzo[h]chromene wurden auf der Basis des Mikrotubuli-destabilisierenden und c-MYB-inhibierenden Naphthopyran-Derivats Bcr-TMP synthetisiert und in einem ersten Substanzscreening bezüglich zytotoxischer und c-MYB-inhibitorischer Eigenschaften analysiert. Sieben strukturell verwandte Vertreter mit vielversprechenden Eigenschaften wurden weiterführend auf ihre Fähigkeit untersucht, Tubulin zu binden, das Zytoskelett zu zerstören und den Zellzyklus zu arretieren. Dabei zeigte sich eine Korrelation zwischen zunehmender Alkylkettenlänge der 4-Alkoxygruppe und einer Abnahme der Aktivität. Neben einem ausgeprägten G2/M Zellzyklusarrest nach bereits 6 h waren eine vollständige Dissoziation der Mikrotubuli und eine erhöhte Caspaseaktivität nach 24 h die Folge. Das Propargyloxyderivat, welches ursprünglich für die intrazelluläre Lokalisierung hergestellt wurde, konnte sich aufgrund verbesserter Target-Bindung in Dockingstudien mit überlegener in-vitro-Tubulinpolymerisationsinhibition behaupten. Zusätzlich wurde eine beachtliche Angiogenese-Inhibition im Zebrafisch-Modell sowie eine außergewöhnlich große therapeutische Breite nachgewiesen. Vielversprechende pharmakologische Eigenschaften und metabolische Stabilität verdeutlichen zudem die Relevanz als potenzielle Leitstruktur für weitere Studien. Der dritte Teil dieser Arbeit erörtert die Struktur-Wirkungs-Beziehungen (SAR) einer weiteren Serie strukturverwandter 7-Methoxy-4-aryl-4H-chromene. Im Vergleich zu Vertretern der bereits beschriebenen 4H,5H-Pyran[3,2-c]chromen-5-on-Derivate und 4H-Benzo[h]chromen-Analoga konnte eine leichte Steigerung der Aktivität hinsichtlich Zytotoxizität und die Inhibition des Transkriptionsfaktors c-MYB erreicht werden. Der Wirkstoff mit einem 3,5-Diiod-4-methoxyphenyl-Substituenten erwies sich als besonders wirksam für die Zellzyklusarretierung in der G2/M-Phase und die Destabilisierung des Mikrotubuli-Zytoskeletts. Eine Ausnahme bildet das Zebrafischmodell, bei dem im Gegensatz zum 3-Chlor-4,5-dimethoxy-Derivat keine signifikanten Auswirkungen auf die Angiogenese und eine erhöhte Toxizität in vivo beobachtet wurde. Die Angiogenesehemmung des Chlorderivats war nicht nur vergleichbar mit der des bereits klinisch eingesetzten Axitinib, sondern zeigte auch eine ausgezeichnete Selektivität gegenüber Krebszellen und eine Inhibition von c-MYB im nanomolaren Bereich.
Abstract in weiterer Sprache
For more than a century, the international research community has been working to develop new therapies for malignant neoplasms. But despite huge investments, the discovery of a cure is not in sight and continues to pose new challenges to even the most advanced treatment strategies. Since cancer develops in many different cell types, the specific characteristics of each tissue lead to a very complex clinical picture, which makes it impossible to provide a universal therapy and requires the use of combination therapies in most cases. Genetic instability and stress-induced selection of cancer cells favor the propagation of oncogenes and lead to a volatile disease progression. For this reason, high-dose cytostatic drugs with severe side effects must be used to suppress the development of resistance and differentiation of cancer cells and thus prevent tumor recurrence. However, combining different target-specific pharmacophores into multifunctional agents can reduce therapy-related side effects, antagonistic interactions or resistances. The preclinical studies performed in this work include three series of potential drug candidates characterized and optimized concerning their biochemical properties. The compounds are structurally derived from the antiproliferative and tubulin-destabilizing agents LY290181 and combretastatin A4, with the 2-amino-4-phenyl-4H-chromene-3-carbonitrile backbone modified to address multiple biological targets. In human cancer cell lines, compound-specific selectivity of antiproliferative potential (MTT assay), intracellular localization (alkyne-azide click chemistry), as well as compound-induced effects on the cell cycle (FACS analysis), cytoskeleton (confocal microscopy) and cell motility (2D tube formation assay) could be evaluated. Further molecular mechanisms of action such as microtubule dynamics, caspase induction, CDK1 activity or metabolic stability were investigated using in vitro enzyme assays. In addition, a novel luciferase reporter assay was used to screen potential inhibitors of c-MYB-mediated transcription. The zebrafish model was used to assess both antiangiogenic effects and toxicity in vivo, providing insight into the therapeutic index in vertebrates. In addition, pharmacokinetic ADME simulations and docking studies (tubulin) were performed. The first part of the project showed that three of the fifteen 4H,5H-pyran[3,2-c]chromen-5-one derivatives had moderate tubulin binding and microtubule destabilizing activities and were specifically cytotoxic against malignant cells. Here, the compounds with one or two halogenated trimethoxyphenyl groups are of particular interest. Immunofluorescence staining of the cytoskeleton indicated an increase of spindle aberrations as well as bi- and multipolar mitotic spindles. G2/M cell cycle arrest was associated with reduced CDK1 activity and presumed nuclear accumulation. Although significant antiangiogenic effects were observed in the zebrafish model, the effective concentrations were relatively close to the lethal dose, indicating a high level of toxicity in vivo. The 4H-benzo[h]chromenes investigated in the second subproject were synthesized based on the recently published microtubule-destabilizing and c-MYB-inhibiting naphthopyran derivative Bcr-TMP and screened for cytotoxic and c-MYB-inhibitory properties. Seven structurally related compounds with promising properties were further tested for their ability to bind tubulin, disrupt the cytoskeleton and arrest the cell cycle. This revealed a correlation between increasing alkyl chain length of the 4 alkoxy group accompanied by a decrease in activity. In addition to a pronounced G2/M cell cycle arrest after 6 hours, complete microtubule dissociation and increased caspase activity were observed after 24 hours. The alkynyl derivative, initinally designed for intracellular localization, also performed well in docking studies due to improved target binding and superior in vitro tubulin polymerization inhibition. In addition, the zebrafish model has demonstrated remarkable inhibition of angiogenesis and a broad therapeutic spectrum. Its relevance as a potential lead structure for further studies is demonstrated by its promising pharmacological properties and metabolic stability. The third part of this work deals with the structure-activity relationships of another series of structurally related 7-methoxy-4-aryl-4H-chromenes. Compared to the reported 4H,5H-pyran[3,2-c]chromen-5-one derivatives and 4H-benzo[h]chromen analogues, a slight increase in activity was achieved concerning cytotoxicity and inhibition of the transcription factor c-MYB. In particular, the 3,5-diiodo-4-methoxyphenyl substituent has been shown to be particularly effective in arresting the cell cycle at G2/M and destabilizing the microtubule cytoskeleton. An exception is the zebrafish model, where in contrast to the 3-chloro-4,5-dimethoxy derivative, no significant effect on angiogenesis and increased toxicity were observed in vivo. The antiangiogenic activity of the chloro-derivative was comparable to that of the clinically used axitinib, but also showed excellent selectivity towards cancer cells and inhibited c-MYB in the nanomolar range.