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Konzertierter Ansatz zur Untersuchung von Polymorphie - Experiment und Simulation

URN zum Zitieren der Version auf EPub Bayreuth: urn:nbn:de:bvb:703-opus-5719

Titelangaben

Thun, Jürgen:
Konzertierter Ansatz zur Untersuchung von Polymorphie - Experiment und Simulation.
Bayreuth , 2008
( Dissertation, 2009 , Universität Bayreuth, Fakultät für Biologie, Chemie und Geowissenschaften)

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Version: Veröffentlichte Version
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Abstract

Ziel dieser Arbeit war die Untersuchung von Polymorphie und Kristallisation verschiedener organischer Moleküle. Als Techniken standen sowohl computerchemische Methoden als auch ein modernes automatisches Laborreaktorsystem zur Verfügung, welches über verschiedene Online-Sensoren und eine akurate Temperatursteuerung verfügte. Mittels einer FBRM-Sonde, welche eine zeitnahe Detektion der Keimbildung erlaubt, und einer ATR FT-IR Sonde, über die zu jedem Zeitpunkt der Kristallisation der Konzentrations- und somit auch der Überssättigungsverlauf gemessen werden konnte, war eine genaue Steuerung der Kristallisationsprozesse möglich. Unter Verwendung des beschriebenen Laborreaktorsystems gelang es, das 175 Jahre alte Rätsel über die Polymorphie des einfachen organischen Moleküls Benzamid zu lösen. Bereits im Jahre 1832 wurde zum ersten Mal das Phänomen der Polymorphie an organischen Molekülkristallen von den Grossvätern der modernen anorganischen und organischen Chemie, Friedrich Wöhler und Justus von Liebig am Beispiel des Benzamids entdeckt und veröffentlicht. Die Strukturlösung dieser von Wöhler und Liebig beschriebenen nadelförmigen Modifikation von Benzamid gelang allerdings erst im Rahmen dieser Arbeit im Jahr 2007. Von Benzamid ist eine weitere metastabile Phase II bekannt, welche bislang fälschlicherweise für die Wöhler und Liebig Phase gehalten wurde, da sie ebenfalls, wie auch die echte Wöhler Phase, in einer nadelförmigen Morphologie auskristallisiert. Diese Phase wurde 2005 von David et al. aus Röntgenpulverdaten gelöst. Allerdings wichen die verwendeten Kristallisationsbedingungen stark von den von Wöhler und Liebig beschriebenen Kühlraten ab. Durch eine schnelle, Lösungsmittel getriebene Umwandlung entzog sich diese Phase bislang jedoch weiteren Untersuchungen. Erst im Rahmen dieser Dissertation ist es gelungen, die Umwandlung dieser metastabilen Phase II soweit zu verlangsamen, dass sowohl röntgenographische Methoden, als auch Festkörper-NMR-, Raman- und IR-Spektroskopie möglich war. Durch die Einfachheit des Moleküls, nur einem Torsionsfreiheitsgrad, sowie der bekannten Polymorphie bietet sich Benzamid als Testsystem für Computersimulationen an. Benzamid wurde so als "benchmark"-System für Kristallstrukturvorhersagen unter der Verwendung zweier kommerziell erhältlicher Programmpakete (MS Modeling 4.0 und Cerius2) ausgewählt. Mit beiden Programmpaketen ist es gelungen sowohl die thermodynamisch stabile Phase I als auch die Wöhler und Liebig Phase richtig "vorherzusagen". Bei der metastabilen Phase II konnte die experimentelle Struktur leider nicht in den Vorhersagen gefunden werden. Die aus experimentellen Daten gelöste Kristallstruktur stellte im Hinblick auf das bei den Simulationen verwendete Kraftfeld einen Sattelpunkt auf der Energiehyperfläche dar, so dass selbst einfache Energieoptimierungen dieser Phase bereits scheiterten und zu einer deutlichen Veränderung in den Gitterparametern führte. Ein weiteres interessantes Ergebnis war die Vorhersage eines energetisch günstigen Packungsmusters, welches bislang schon von einigen kurzkettigen Carbonsäuren bekannt ist, dem sogenannten Katamer-Synthon. Dieses bildet sich aus langen über Wasserstoffbrücken gebundenen Ketten, in denen keine Dimere enthalten sind. Dieses vorhergesagte Packungsmotif bedarf noch einer experimentellen Bestätigung. Hierfür ist es allerdings notwendig geeignete Kristallisationsbedingungen zu schaffen, welche es erlauben die Bildung von Benzamid-Dimeren in Lösung zu verhindern. Parallel zum Modelsystem Benzamid wurde die Polymorphie des Wirkstoffes Montelukast und seiner Salze näher untersucht. Im Rahmen dieser Dissertation gelang es, die Kristallstruktur der freien Säure von Montelukast aus Röntgeneinkristalldiffraktometriedaten zu lösen. Die durchgeführten Kristallisationsexperimente zusammen mit der gelösten Kristallstruktur und computerchemischen Simulationen halfen, die Probleme bei der Kristallisation des Natrium-Salzes zu erklären. So scheint es notwendig, dass als strukturdirigierendes Agenz bei der Kristallisation dringend Wasserstoffbrücken notwendig sind. Experimentell bestätigt sich dies darin, dass neben der freien Säure auch ein mikrokristallines Ammonium-Salz bekannt ist, jedoch entgegen aller in den Patenten enthaltenen Behauptungen, kein kristallines Natrium-Salz. Dieser Befund lässt sich noch dadurch unterstützen, dass sich auch in den Originalmedikamenten keine kristalline Natrium-Verbindung finden lässt. Die Kombination aller hier vorgestellter Methoden erlaubt es, eine genaue Kenntniss über die Polymorphie von verschiedenen Systemen zu erlangen und bei der Lösung von Problemen in der experimentellen Kristallisation neue Lösungswege zu finden. Ungewöhnlich ist, dass alle verwendeten Techniken, sowohl Theorie als auch Experiment, an einem Ort, von einer Person durchgeführt wurden.

Abstract in weiterer Sprache

The polymorphism and crystallization of different organic molecules was investigated using computational chemistry as well as a modern automatic lab reactor system. This automatic lab reactor was equipped with a FBRM probe, which allowed detection of nucleation almost in real time, and an ATR FT-IR probe for an accurate measurement of concentration and therefore supersaturation. In addition with the very precise temperature control of the lab reactor system crystallization procedures could be performed in a very controlled manner. Using the described automatic lab reactor system the 175 year old riddle about polymorphism of the very simple compound benzamide could be solved. Back in 1832 the german grandfathers of modern inorganic and organic chemistry, Friedrich Wöhler and Justus von Liebig, described the phenomenon of polymorphism for the first time for an organic molecular crystal, for benzamide. However, the crystal structure of this described metastable phase III with a needlelike morphology was solved in 2007 as a part of this PhD-thesis. A second metastable phase of benzamide is also known, which was misleadingly dedicated to be the Wöhler and Liebig phase first due to a similar needlelike morphology. Indeed, the necessary crystallization conditions needed to yield this metastable phase II dimer dramatically from the originally by Wöhler and Liebig reported cooling rates. Due to a fast solution mediated transformation into a thermodynamically more stable phase, phase II eluded further characterizations. Within this PhD-thesis it was possible to slow down the transformation of this metastable phase II so that PXRD pattern, as well as solid-state NMR-, Raman- and IR-spectra could be recorded. The simplicity of the benzamide molecule, which exhibits only one torsional degree of freedom, as well as the known polymorphism made benzamide an appropriate system for computer simulations. Benzamide was chosen as a benchmark system for crystal structure prediction (CSP), which had been performed using two commercial suites of programs (MS Modeling 4.0 and Cerius2). The thermodynamically stable phase I and the Wöhler and Liebig phase III could be "predicted" within both suites of programs. Unfortunately, the metastable phase II could not been found in either of these predictions. It turned out that phase II represents a saddle point on the energy hyper surface in respect to the force field used. Even a simple energy optimization of the experimentally known crystal structure yielded in a massive deformation of the crystal lattice. However, another very interesting low energy packing motif could be predicted which is already known as a catamer synthon from carbonic acids. In a catamer synthon no hydrogen bonded dimers can be found, only hydrogen bonded chains are formed. So far there is no experimental conformation for this predicted packing motif. Therfore it is necessary to establish an environment which is capable of breaking the dimer bond. In addition to the model system benzamide, the polymorphism of the active pharmaceutical ingredient (API) montelukast was investigated. Within this PhD-thesis the crystal structure of the free acid of montelukast could be solved from single-crystal X-ray diffraction data. The performed crystallization experiments together with the solved crystal structure and computer simulations helped to explain the difficulties with the crystallization of sodium-montelukast. It seems as if hydrogen bonds are needed as some kind of structure directing agent during the nucleation. This result can be confirmed experimentally by the known crystalline montelukast phases. Only the free acid as well as an ammonium-salt can be found to be crystalline. Moreover, even in the merchandised drug, no crystalline sodium-montelukast can be identified although several patents claim techniques to obtain at least one crystalline sodium-montelukast phase. Summing up, the combination of all these methods helped to get a good knowledge about the polymorphism of different systems and to find new ways to solve existing problems during crystallization. It is unique, that all techniques, simulation and experiment, had been performed at one place, from one person.

Weitere Angaben

Publikationsform: Dissertation (Ohne Angabe)
Keywords: Polymorphie; Kristallisation; Computersimulation; Benzamid; Kristallstrukturvorhersage; crystal structure prediction
Themengebiete aus DDC: 500 Naturwissenschaften und Mathematik
Institutionen der Universität: Fakultäten > Fakultät für Biologie, Chemie und Geowissenschaften > Fachgruppe Chemie
Fakultäten
Fakultäten > Fakultät für Biologie, Chemie und Geowissenschaften
Sprache: Deutsch
Titel an der UBT entstanden: Ja
URN: urn:nbn:de:bvb:703-opus-5719
Eingestellt am: 25 Apr 2014 10:35
Letzte Änderung: 25 Apr 2014 10:35
URI: https://epub.uni-bayreuth.de/id/eprint/550

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