URN to cite this document: urn:nbn:de:bvb:703-epub-4997-9
Title data
Müller, Jana T.:
Molekulare und physiologische Charakterisierung der Überlebensstrategien von Wildpflanzen der Brassicaceae bei Überflutung.
Bayreuth
,
2022
. - X, 152 + 1CD P.
(
Doctoral thesis,
2020
, University of Bayreuth, Faculty of Biology, Chemistry and Earth Sciences)
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Abstract
Die Zunahme von extremen Wetterereignissen wie Dürre und Überflutung aufgrund des globalen Klimawandels stellt eine Bedrohung für viele Kulturpflanzen dar. Überflutung beeinträchtigt die aerobe Atmung und die Photosynthese, was eine Energiekrise zur Folge hat. Pflanzen aus überflutungsgefährdeten Gebieten haben spezifische metabolische und morphologische Anpassungen entwickelt, um die größten Herausforderungen in einer Umgebung mit überschüssigem Wasser zu bewältigen. Überflutungstolerante Arten überleben entweder durch Wachstumsförderung (Escape-Strategie) oder durch Wachstumsunterdrückung (Quiescence-Strategie). Beide Strategien wurden bereits ausführlich in der monokotylen Modellpflanze Reis (Oryza sativa) untersucht. Das molekulare Verständnis der Überlebensstrategien von dikotylen Pflanzen ist noch nicht ausreichend verstanden, da bisher keine überflutungstolerante Modellpflanze existiert, die genetisch zugänglich ist. Die Etablierung eines Modellorganismus und die Aufklärung von Überflutungstoleranzmechanismen können erheblich zur Entwicklung stressresistenter Nutzpflanzen beitragen. Im Rahmen dieser Arbeit wurde das Verhalten von ausgewählten Wildpflanzen der Brassicaceae-Familie auf molekularer und physiologischer Ebene charakterisiert. Es konnte gezeigt werden, dass alle Rosettenpflanzen eine Quiescence-Strategie annahmen, aber das Überleben nach Überflutung stark variierte. Die Pflanzen wurden anhand ihrer Überflutungstoleranz wie folgt eingeordnet: Arabidopsis thaliana < Cardamine hirsuta < Cardamine pratensis < Rorippa palustris und Rorippa sylvestris. Die einzige nicht rosettenartig wachsende Art (Nasturtium officinale) zeigte bei Überflutung gegensätzliche, gewebespezifische Wachstumsreaktionen: Wachstumsförderung in den Stängeln und Wachstumsunterdrückung in den Petiolen. Die vorliegende Arbeit behandelt die Fragen, wie die gegensätzlichen Wachstumsreaktionen reguliert werden und welche Prozesse die Unterschiede in der Überflutungstoleranz beeinflussen. Die bereits bekannten molekularen Mechanismen, die die Unterwasser-Elongation steuern, basieren weitgehend auf Studien zur Elongation der Internodien in Reis und zur Elongation der Petiolen in Rumex-Rosettenpflanzen. In dieser Arbeit wurde N. officinale als dikotyle Modellpflanze zur Analyse kontrastierender Wachstumsstrategien innerhalb einer einzelnen Pflanzenart vorgestellt. Eine genomweite Transkriptomanalyse ergab, dass Überflutung eine wesentliche Veränderung des Petiolen- und des Stängeltranskriptoms verursachte, während nur geringe qualitative Unterschiede zwischen beiden Geweben beobachtet wurden. Zu den Kernreaktionen bei Überflutung gehörten Hormon-regulierte Prozesse und die Anpassung des Stoffwechsels zur Energieeinsparung, während gewebespezifische Reaktionen mit der Abwehr, der Photosynthese und den Zellwandpolysacchariden in Verbindung gebracht wurden. Die molekulare und physiologische Charakterisierung deutet darauf hin, dass die Prozesse, die das Unterwasserwachstum in N. officinale regulieren, vom etablierten Wachstumsmodul, das die Regulatoren Ethylen, Abscisinsäure (ABA) und Gibberellinsäure (GA) beinhaltet, abweichen. Das Unterwasserwachstum des Stängels wurde durch eine frühe Abnahme des ABA-Spiegels verur-sacht und nicht primär durch Ethylen, GA oder Brassinosteroide (BRs) vermittelt. Es bleibt allerdings unklar, welches Signal die anfängliche Abnahme des ABA-Gehalts einleitet, die für die Elongation des Stängels erforderlich ist. Ebenfalls konnte der Einfluss von Auxin auf die Unterwasserelongation des Stängels nicht vollständig geklärt werden. Eine in der Nacht beobachtete verstärkte Stängelelongation war nicht mit Sauerstoffmangel (Hypoxie) verbunden und deutet auf eine Regulation durch circadiane Rhythmik hin. Die Unterdrückung des Wachstums in der Petiole wird wahrscheinlich eher einem Stillstand des Zellzyklus als einer hormonellen Regulation zugeschrieben. Um herauszufinden, worauf die Unterschiede in der Überflutungstoleranz beruhen, wurden die Rosettenpflanzen einem Multispezies-Vergleich mittels genomweiter Transkriptomanalyse unterzogen. In allen Arten wurden Kohlenhydrat-assoziierte Prozesse, Reaktionen auf Pathogene und Hormon-regulierte Signalwege induziert, während Biosynthese-Prozesse reprimiert wurden. Die physiologischen Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigen, dass Überflutung in allen Arten einen Kohlenhydratmangel auslöst. Die Überflutungstoleranz der toleranten Arten C. pratensis, R. palustris und R. sylvestris könnte dabei aber auf einen weniger stark ausgeprägten Kohlenhydratmangel zurückzuführen sein. Diese Annahme beruht auf der geringeren Induktion von Genen, die mit Kohlenhydratmangel assoziiert sind, einer höheren relativen Zuckerverfügbarkeit sowie der Induktion von Gärungsprozessen im Vergleich zu den sensitiven Arten A. thaliana und C. hirsuta. Die molekulare Analyse der Überflutungsreaktionen identifizierte BETA CARBONIC ANHYDRASE 3 (BCA3), das in A. thaliana für eine cytosolische Carboanhydrase codiert, als ein potenzielles Kandidatengen für Überflutungstoleranz. Dieses Gen wurde bei Überflutung ausschließlich in den toleranten Arten stark induziert (insbesondere in R. sylvestris). Allerdings führte weder die Überexpression von AtBCA3 noch von RsBCA3 in der sensitiven Art A. thaliana zu einer erhöhten Überflutungstoleranz im Vergleich zum Wildtyp. Obwohl die Kallus- und Sprossinduktion erfolgreich verlief, konnte im Rahmen dieser Arbeit kein Transformationsprotokoll für R. sylvestris etabliert werden. Folglich konnte die Inaktivierung von BCA3 mittels RNA-Interferenz (RNAi) nicht getestet werden. Der positive Einfluss von BCA3 auf die Überflutungstoleranz konnte somit weder bestätigt noch ausgeschlossen werden. Diese Arbeit hebt die Vielfalt der Mechanismen in scheinbar ähnlichen Verhaltensweisen hervor, was die Bedeutung der Untersuchung von Überflutungsanpassungsmerkmalen bei einer Vielzahl von Arten bekräftigt. Es wurden neuartige dikotyle Pflanzensysteme vorgestellt, die als Grundlage für zukünftige Studien dienen können, um noch weitere unbekannte überflutungstolerante Gene und Prozesse identifizieren zu können.
Abstract in another language
The increase in extreme weather events such as droughts and floods due to global climate change is a threat to many crops. Flooding affects aerobic respiration and photosynthesis, resulting in an energy crisis. Plants that inhabit flood-risk areas have evolved specific metabolic and morphological traits to overcome the major challenges in an excess water environment. Flood-tolerant species survive either by growth promotion (escape strategy) or growth suppression (quiescence strategy). Both strategies have been extensively studied in the monocot model plant rice (Oryza sativa). The molecular under¬standing of survival strategies of dicotyledonous plants has not yet been sufficiently understood, since there is no flood-tolerant model plant that is genetically accessible. The establishment of a model organism and the elucidation of submergence tolerance mechanisms can contribute significantly to the development of stress-resistant crops. In this work the behavior of selected wild species of the Brassicaceae family was characterized on a molecular and physiological level. It could be shown that all rosette plants adopted a quiescence strategy, but their survival after submergence varied significantly. The plants were ordered according to their submergence tolerance as follows: Arabidopsis thaliana < Cardamine hirsuta < Cardamine pratensis < Rorippa palustris and Rorippa sylvestris. The only non-rosette-growing species (Nasturtium officinale) showed antithetical, tissue-specific growth responses when submerged: growth promotion in the stems and growth suppression in the petioles. The present work deals with the questions of how the contrasting growth responses are regulated and which processes influence the differences in submergence tolerance. Known molecular mechanisms controlling underwater elongation are based extensively on studies on internode elongation in the monocot rice and petiole elongation in Rumex rosette species. Here, N. officinale was presented as a dicot model plant to study contrasting growth strategies within one single plant species. A genome-wide transcriptome analysis revealed that submergence caused a substantial reconfiguration of the petiole and stem transcriptome, while only little qualitative differences were observed between both tissues. A core submergence response included hormonal regulation and metabolic readjustment for energy conservation, while tissue-specific responses were associated with defense, photosynthesis, and cell wall polysaccharides. Transcriptomic and physiological characterization suggested that the molecular processes regulating underwater growth in N. officinale deviate from the established ethylene, abscisic acid (ABA) and gibberellic acid (GA) growth regulatory module. The underwater stem elongation is driven by an early decline in ABA and is not primarily mediated by ethylene, GA or brassinosteroids (BRs). However, it remains elusive what signal causes the initial ABA depletion required for stem elongation. The influence of auxin on the underwater stem elongation has also not yet been fully clarified. An enhanced stem elongation observed in the night period was not linked to oxygen deficiency (hypoxia) and suggests an involvement of circadian regulation. The petiole growth suppression is likely attributed to a cell cycle arrest rather than hormonal regulation. To identify the underlying mechanisms that cause the differences in submergence tolerance, the rosette plants were subjected to a multi-species comparison using a genome-wide transcriptome analysis. In all species, carbohydrate-associated processes, pathogen responses and hormone-regulated signaling pathways were induced, while biosynthesis processes were repressed. The physiological results of the present work demonstrate that submergence triggers carbohydrate starvation in all species. The submergence tolerance of the tolerant species C. pratensis, R. palustris und R. sylvestris could, however, be due to a less pronounced carbohydrate deficiency. This assumption is based on the lower induction of genes associated with carbohydrate starvation, a higher relative sugar availability and the induction of fermentation processes compared to the sensitive species A. thaliana and C. hirsuta. Molecular analysis of the submergence responses identified BETA CARBONIC ANHYDRASE 3 (BCA3), which encodes a cytosolic carbonic anhydrase in A. thaliana, as a potential candidate gene for submergence tolerance. This gene was strongly induced during submergence only in the tolerant species (especially in R. sylvestris). However, neither the overexpression of AtBCA3 nor of RsBCA3 in the sensitive species A. thaliana led to an increased submergence tolerance compared to the wild type. Although callus and shoot induction were successful, no transformation protocol for R. sylvestris could be established in this work. Consequently, the inactivation of BCA3 by RNA interference (RNAi) could not be tested. Thus, the positive influence of BCA3 on the submergence tolerance could neither be confirmed nor ruled out. This study highlights the diversity in mechanisms in seemingly similar behaviors, which emphasizes the importance of studying flood-adaptive traits in a wide range of species. Novel dicot plant systems were presented that can serve as a basis for future studies to identify as yet unknown flood-adaptive genes and processes.