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Soziale Prozesse der Selbstregulation einer Wildkaninchenpopulation (Oryctolagus cuniculus L.)

URN zum Zitieren der Version auf EPub Bayreuth: urn:nbn:de:bvb:703-opus-8812

Titelangaben

Kaetzke, Paul Ernst:
Soziale Prozesse der Selbstregulation einer Wildkaninchenpopulation (Oryctolagus cuniculus L.).
Bayreuth , 2010
( Dissertation, 2010 , Universität Bayreuth, Fakultät für Biologie, Chemie und Geowissenschaften)

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Abstract

Wahrend einer Populationsstudie von Wildkaninchen innerhalb eines 22000 m2 großen Freigeheges wurden strukturelle und demographische Parameter über 16 Jahre aufgenommen. 1. Populationsdynamik: Trotz einer jährlichen Produktion von 258-1080 Jungtieren verblieb die Adulttierdichte stabil und schwankte nur um etwa 50 Tiere. Die Populationsgröße wird in Abhängigkeit von ihrer Dichte und Altersaufbau reguliert, was ihren Ausdruck in einem Zyklus der Wachstumsrate mit einer Periode von ca. 5 Jahren findet. 2. Sozialstruktur: Wildkaninchen leben in Mischeinheiten mit geschlechtsspezifischen linearen Dominanzhierarchien, die durch das Territorialverhalten von Männchen voneinander isoliert sind. Innerhalb von Männchenterritorien können Weibchen Untergruppen bilden. 3. Populationsdynamische Faktoren Jahreszeit: In der Nichtreproduktionszeit bleiben strukturbildende Verhaltensweisen erhalten. Dichte: Mobilität und strukturbildende Verhaltensweisen, wie rangabhängiges nahes Beisammensitzen, aggressives Verhalten und Hüteverhalten sind dichteabhängig. 4. Sozialdynamik Folgende Mechanismen regulieren und stabilisieren die Gruppengröße während der Abnahme der Populationsdichte: Männchen: Dominante Männchen vergrößern ihre Reviere; subdominante Männchen wandern in Gruppen mit vielen Weibchen ab und / oder ersetzen verstorbene dominante Männchen. Subdominante Männchen pendeln zwischen zwei Revieren. Reviere werden von dominanten und subdominanten Männchen verteidigt. Weibchen: Weibchen aus Gruppen mit wenig Raum wandern in Gruppen mit mehr Raum ab. Weibchen großer Gruppen wandern in kleine Gruppen ab. Weibchen erhalten ihre kleine Gruppengröße durch Territorialverhalten. Weibchen großer Gruppen spalten sich und bilden Untergruppen. Männchen und Weibchen: Individuelle Bindungen können bei Mangel an Männchen beobachtet werden. Folgende Mechanismen destabilisieren das System und können zu einer Erhöhung der Populationsdichte führen. a) Eine begrenzte Kapazität der Männchen, Reviere zu vergrößern und zu verteidigen; b) ein Mangel an Männchen, der zur Neubildung von Weibchengruppen führt, die disharmonisch sind; c) eine Abnahme der Weibchengruppengröße, die zu klein werden, um gegen eine Emigration von Weibchen aus größeren Gruppen verteidigt zu werden. 5. Funktion der Prozesse Strukturell-funktionale Aspekte: Männchen erhöhen bzw. erhalten ihren Zugang zu Weibchen durch Zusammenschluß in Dominanzhierarchien, Verbesserung des sozialen Status sowie durch Vergrößerung ihrer Reviere. Weibchen erhöhen bzw. erhalten ihren Zugang zu Wurfbauten durch Zusammenschluß in Dominanzhierarchien bzw Untergruppen, durch Verbesserung des sozialen Status und Abwanderung in Gruppen mit mehr Raum. Reproduktion: Eine Reproduktionssupression konnte nur auf der individuellen Ebene in Abhängigkeit von der Gruppengröße und dem Rang festgestellt werden. Die Reproduktionssuppression wirkt sich bei hoher Dichte auf die Wurfsynchronisation aus. Verwandtschaft: Eine geringer matrilineare Verwandtschaftsgrad innerhalb der Gruppen wird verursacht durch einen Generationsaustausch, Abwanderung und Geschwistertrennung. Homoöstase: Die Ausbildung sozial stabiler Beziehungen puffert direkte Konkurrenz ab, was sich in der Erniedrigung der Nebennierenrindenaktivität (NNR) äußert. Soziale Veränderungen bewirken unabhängig vom Rang eine Erhöhung der NNR. Copingstrategien wie Konfrontation bzw. Konfliktvermeidung können in Sozialbindungen und damit einhergehenden Ortsbindungen resultieren, die sich gegenläufig zu rangabhängigen NNR auswirken. Aufgrund der Komplementarität von Verhalten, sozialen Prozessen und Positionen mit der Lebenserwartung von Tieren können über die NNR Rückschlüsse auf die Befindlichkeit von Tieren, wie Sicher-, Unsicherheit und Selbstvertrauen getroffen werden. 6. Vernetzung: Strukturell-funktionale Mechanismen selbstorganisieren die horizontale Vernetzung der Population in unterschiedlich zusammengesetzte Gruppen. Innerhalb der Population bestimmen endogene Mechanismen der Sicherheit von Individuen die Selbstorganisation in soziale Gruppen. Sie sind das Ergebnis zentrifugaler Kräfte positiver Rückkopplungsprozesse eines Aggressionsvermeidungssystems sowie der zentripetalen Bindungskräfte von Wurfbauen und Paarungspartnern. 7. Lebensgeschichte und Demographie: Dichteabhängige Oszillationen sind gebunden an die Alters- und Geschlechterzusammensetzung der Population. Dies kann als zirkuläre Geschlossenheit von Ursache und Effekt des Auf- und Abbaus eines sozialen Netzwerkes als Regel generierendes (konstitutives) und Regel basierendes (evaluatives) System der Prozesse, die soziale Unsicherheit reduzieren, verstanden werden. 8. Synthese: Die Populationsdynamik der Jungtiere lässt sich allein aus der systemhaften Vernetzung von Populationsparametern formalisieren und vorhersagen.

Abstract in weiterer Sprache

During a population study of European wild rabbits within an enclosure of 22000m2 demographic and structural parameters were pursued over 16 years. 1. Populationdynamics: The population fluctuated around 50 adults despite a yearly production of 258 to 1080 offspring. The population size is regulated as a function of their density and its age structure, which is expressed by the cycle of the year specific intrinsic growth rate of five years 2. Social structure: Wild rabbits live in sexual mixed units with sex-specific linear dominance hierarchies, isolated by territorial behaviour of males. Within male territories females can establish subgroups. 3. Population dynamical factors Season: In the non reproduction period structural behaviour is maintained. Density: Mobility and structural behaviour, like rank dependent sitting in close proximity, rank dependent aggressive behaviour and mate guarding are density dependent. 4. Social dynamics Following mechanisms regulate and stabilize group size during population decline. Males: Dominant males extend their territories. Subdominant males migrate into groups with many females and / or replace deceased dominant males. Subdominant males commute between two territories. Territories are defended by dominant and subdominant males. Females: Females of groups with less space migrate into groups with more space. Females of big groups migrate into small groups. Females sustain their small group size by territorial behaviour. Females of big groups split and establish subgroups. Males and females: Individual bonds can be observed, when there is a lack of males. Females followed their dominant male in his spatially separated territories. Following mechanisms destabilize the system, which can lead to an increase of population density: a) A limited capacity of males to extend and defend territories; b) a lack of males leads to the establishment of new female hierarchies, which are disharmonic; c) a decrease of female group size, which can’t be defended against the emigration of bigger groups. 5. Function of social processes Structural-functional aspects: Males increase or sustain their access to females by the consolidation of dominance hierarchies, improvement of social status and territory extension. Females increase or sustain their access to burrows and dens by consolidation of dominance hierarchies, improvement of social status and by emigration into groups with more space. Reproduction: Reproduction suppression could be ascertained only on an individual level, depending on group size and social status. At high density rank dependent reproduction suppression affects birth synchronization. Kinship: The low degree of matrilinear kinship within groups is caused by a generation exchange, emigration and separation of sisters. Homoeostasis The establishment of social stable relationships buffers direct competition, expressed by an decrease of adrenal cortex activity (acr). Social changes effect independent of the status an increase of the acr. Coping strategies as confrontation as well as conflict avoidance can result in social bonding and site fidelity, counteracting rank dependent acr. Due to the complementarity of behaviour, social processes and rank positions with the life expectation of animals, it is possible to conclude by the levels of acr their welfare, like certainty, uncertainty and self-confidence. 6. Structural-functional network: Structural-functional mechanisms self organize the horizontal networking of the population into groups with different composition. Within the population endogenous mechanisms of certainty of individuals determine the self-organization of social groups. They are the result of centrifugal forces of positive feedback processes of an aggression-avoidance system as well as of centripetal bonding forces of den-sites and mates. 7. Life-history, adrenal cortex activity and demography: Density dependent oscillations are bounded by the age and gender composition of the population. This can be understood as a circular closure of cause and effect of a constitution and dismantling of a social network as rule generating (constitutive) and rule based (evaluative) system of processes, reducing social uncertainty. 8. Synthesis: The population dynamics of the juveniles can be formalized and predicted precisely alone by the systemic networking of population parameters two years in advance. In conclusion the population is self organized by time delayed feedback mechanism within a poly- and topocentric network and self regulated by social stress by the exclusion of juveniles. Self-regulation includes the equilibration of aporetic conflicts, like gender, age and group conflicts reflected by the bonding capacity of the population. Stability of the social system (plasticity) of wild rabbits is hereby cause of demographic processes as well as their effect.

Weitere Angaben

Publikationsform: Dissertation (Ohne Angabe)
Keywords: Wildkaninchen; Populationsdynamik; Stress; Soziales System; Selbstregulation; Netzwerkdynamik; soziale Prozesse; European wild rabbit; population dynamic; stress; social system; self regulation
Themengebiete aus DDC: 500 Naturwissenschaften und Mathematik > 590 Tiere (Zoologie)
Institutionen der Universität: Fakultäten > Fakultät für Biologie, Chemie und Geowissenschaften > Fachgruppe Biologie
Fakultäten
Fakultäten > Fakultät für Biologie, Chemie und Geowissenschaften
Sprache: Deutsch
Titel an der UBT entstanden: Ja
URN: urn:nbn:de:bvb:703-opus-8812
Eingestellt am: 25 Apr 2014 08:59
Letzte Änderung: 01 Dec 2015 11:56
URI: https://epub.uni-bayreuth.de/id/eprint/373

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