Titelangaben
Jaeschke, Anja:
Extending the climate envelope: Methodological approaches to integrate ecological prerequisites in species distribution models at large spatial extents.
Bayreuth
,
2015
. - 134 S.
(
Dissertation,
2015
, Universität Bayreuth, Fakultät für Biologie, Chemie und Geowissenschaften)
Volltext
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Angaben zu Projekten
Projekttitel: |
Offizieller Projekttitel Projekt-ID Auswirkungen des Klimawandels auf Fauna, Flora und Lebensräume sowie Anpassungsstrategien des Naturschutzes FKZ 3508 85 0600 |
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Projektfinanzierung: |
F&E-Vereinbarung Bundesamt für Naturschutz |
Abstract
Die vorliegende Arbeit stellt die potenziellen Auswirkungen des Klimawandels auf die Verbreitung von geschützten Tierarten dar. Dabei werden verschiedene Einflussfaktoren, hier Unsicherheiten in der Datengrundlage, Ausbreitungsdistanzen und biotische Interaktionen, sowie deren Einfluss auf die Projektionen von Verbreitungsmodellen analysiert. Ziel ist es, etablierte Klimahüllenmodelle um ökologische Grundvoraussetzungen zu ergänzen und damit neue Handlungsgrundlagen für den Naturschutz zu schaffen. Die in dieser Arbeit berücksichtigten Arten stehen EU-weit unter Schutz und deren Erhalt ist ein zentrales Ziel, auch oder gerade unter den Bedingungen des rezenten Klimawandels. Verbreitungsänderungen von einzelnen Tier- und Pflanzenarten, in situ Veränderungen von Lebensräumen sowie eine Beeinflussung von Lebensgemeinschaften und deren Interaktionen sind in zunehmendem Maße zu erwarten und können nicht mehr nur mit bestehenden Managementkonzepten kompensiert oder abgemildert werden. Es gibt zunehmend mehr wissenschaftliche Publikationen, die sich mit Auswirkungen des Klimawandels auf Organismen und Ökosysteme befassen. Diese Literatur wurde dahingehend untersucht, einen Eindruck vom bisher erzielten Wissen zu erlangen, aber auch potenzielle Wissenslücken aufzudecken. Die Analyse zeigt ein deutliches Ungleichgewicht bezüglich der räumlichen Verteilung der Untersuchungsgebiete, der untersuchten taxonomischen Gruppen und Ökosysteme sowie der angewandten Untersuchungsmethoden auf. Es wird erwartet, dass klimatische Veränderungen die Verbreitung von Arten maßgeblich beeinflussen. Veränderungen in der Verbreitung von Arten können bereits beobachtet und auf den rezenten Klimawandel zurückgeführt werden. Zur Abschätzung des Ausmaßes zu erwartender Verbreitungsänderungen werden in jüngster Zeit verstärkt Klimahüllenmodelle verwendet, die die räumliche Verbreitung einer Art mit verschiedenen Einflussfaktoren, z.B. klimatischen Bedingungen, in Verbindung setzt. Mit deren Hilfe kann die Auswirkung eines sich ändernden Klimas auf die Verbreitung analysiert werden. Die vorliegende Arbeit nutzt diese Klimahüllenmodelle, um potentielle Verbreitungsänderungen von Tierarten zu ermitteln. Neben dem reinen Vorliegen neuer klimatisch geeigneter Flächen sind die Erreichbarkeit und die Etablierung vor Ort wesentliche bestimmende Faktoren für die Ermittlung der zukünftigen Verbreitung. Die Erreichbarkeit bestimmt sich zum einen aus der artspezifischen Ausbreitungsfähigkeit und zum anderen aus der Durchlässigkeit der Landschaft. Die Etablierung hängt nicht zuletzt von den biotischen Gegebenheiten ab. Klimatische Eignung und Erreichbarkeit einer Fläche nützen einem Individuum wenig, wenn es nicht auch seinen essentiellen Interaktionspartner vorfindet. Bei Libellen erwartet man zunächst ein großes Ausbreitungspotential aufgrund ihrer guten Flugfähigkeit. Dennoch sind bei genauerer Betrachtung längst nicht alle Libellen ausbreitungsstark genug, um mit den projizierten klimatischen Veränderungen Schritt zu halten. Dies gilt z.B. für Kleinlibellen, für die durchaus zukünftig geeignete Flächen entstehen können, diese jedoch aufgrund ihrer geringen Ausbreitungsdistanz und der Entfernung zu bestehenden Vorkommen aus eigener Kraft nicht oder nicht in den nächsten Jahrzehnten erreichen können. Der Integration von beobachteten Ausbreitungsdistanzen in Zukunftsprojektionen sollte daher besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, um pauschale Erwartungen, wie sie auch in dem Ausbreitungsszenario ‚uneingeschränkte Ausbreitung‘ stecken, zu beschränken und realistischere Projektionen hinsichtlich des Potentials einer Art zu ermöglichen. Zudem bedürfen biotische Interaktionen einer zunehmenden Berücksichtigung in der Modellierung. Die Umsetzung scheint jedoch problematisch. Aus diesem Grund entwickelte ich verschiedene Ansätze zur Berücksichtigung von spezifischen Interaktionen in der Modellierung und verglich diese mit einem Modell ohne Interaktionen. Ich konnte zeigen, dass bei Berücksichtigung von biotischen Interaktionen die projizierten geeigneten Flächen geringer und potentielle Verluste der Zielart größer sind als bei der Nichtberücksichtigung des essentiellen Interaktionspartners, und somit die Berücksichtigung von Interaktionspartnern ein vermutlich realistischeres Ergebnis liefert. Im Fall von Lebensraumtypen stellt sich zudem die Frage: Wie kann man komplexe Gebilde in der Modellierung handhaben? Um diese Frage zu beantworten wurden zwei verschiedene Modellierungsansätze entwickelt: der indirekte Ansatz, der die Verbreitung des Lebensraumtyps auf Grundlage der Verbreitung der charakteristischen Pflanzenarten modelliert, und der direkte Ansatz, der die Verbreitung des Lebensraumtyps als Grundlage verwendet. Beide Ansätze wurden mit der Modellierung von fünf Grasland-Lebensraumtypen, definiert durch die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU, getestet. Beide Ansätze liefern gute Ergebnisse, auch wenn der indirekte Ansatz zumindest durch die Abhängigkeit von verfügbaren Verbreitungsdaten von Pflanzen eingeschränkt wird. Methodische Verbesserungen von Artverbreitungsmodellen sind ein essentieller Schritt, realistischere Modellierungsergebnisse zu erzielen. Nichtsdestotrotz stellt die Kenntnis der ökologischen Ansprüche einer Art, d.h. die Annahmen über die Nische, die Grundlage für alle Modelle dar. Die ökologischen Ansprüche können sich hierbei auf großen räumlichen Skalen (wie z.B. Kontinenten) unterscheiden und auch das aktuelle ökologische Wissen ist meist auf wenige gut-untersuchte Arten beschränkt. Daher ist es auch in Zeiten voranschreitenden Klimawandels notwendig und angemessen, Monitoring-Programme und experimentelle Untersuchungen durchzuführen, um weitere Kenntnisse zur Nische einer Art zu erlangen. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt in der Abschätzung von potenziellen Verbreitungsänderungen von geschützten Tierarten aufgrund klimatischer Veränderungen. Sie berücksichtigt dabei nicht nur den vermuteten Zusammenhang zwischen klimatischen Gegebenheiten und der aktuellen Verbreitung, sondern integriert weitere verbreitungsbestimmende Aspekte. Dazu wurden verschiedene Ansätze entwickelt und verglichen. Sie leistet damit einen Beitrag zu einem umfassenderen Verständnis der verbreitungsbeeinflussenden Umweltvariablen im Zuge des Klimawandels und damit zu einer erweiterten Handlungsgrundlage für Naturschutzmaßnahmen.
Abstract in weiterer Sprache
The following thesis presents potential impacts of climate change on the distribution of protected animal species. Here, different influencing factors like uncertainty in the data basis, dispersal distances, and biotic interactions, as well as their influence on projections of distribution models are analysed. The aim is to amend established climate envelope models by ecological prerequisites and therewith to create a new basis for action for nature conservation. The species considered in this work are protected throughout the European Union and their conservation is a main target, more than ever under the conditions of recent climate change. Distribution changes of animal and plant species, in situ changes of habitats as well as changes in communities and their biotic interactions have to be increasingly expected and can no longer be compensated or mitigated by established management concepts only. There is an increasing amount of literature concerning climate change impacts on organisms and ecosystems. This literature was surveyed to get an impression of the derived knowledge patterns so far and to detect potential knowledge gaps. The analysis reveals large imbalances concerning the spatial distribution of study areas, the studied taxonomic groups and ecosystems as well as the applied methods. Climatic changes are expected to have a relevant influence on the distribution of species. Changes in species’ distributions are already observed and attributed to the recent climate change at least for some species. In order to assess the degree of the awaited distribution changes climate envelope models have been increasingly used in the recent past. They put the spatial distribution of a species in relation to different environmental factors, such as climatic conditions. With their help potential impacts of a changing climate on a species’ distribution can be analysed. The present work uses these climate envelope models to estimate potential range changes of animal species. Beside the pure availability of new climatically suitable areas the accessibility and in situ establishment are main influencing factors concerning the estimation of the future potential distribution of a species. Accessibility is on the one hand determined by the species-specific dispersal ability and on the other hand by the permeability of the landscape. The establishment depends also on biotic conditions. Climatic suitability and accessibility of an area are insufficient if the individual cannot discover its essential interaction partner. Odonata are often recognized as good dispersers because of their flight ability. However, having a closer look, their dispersal ability may not be sufficient enough to keep up with the projected climatic changes. This is especially true for damselflies, for which potential suitable areas could develop in the future, but may be not able to reach them on their own or within the next decades because of their small dispersal distance and/or because of the far distance between current and projected areas. Hence, the integration of observed dispersal distances in future projections needs to be given special attention to constrain overall assumptions like ‘unlimited dispersal’ and to receive more realistic projections regarding a species’ dispersal potential. Additionally, biotic interactions need to be increasingly considered in modelling. However, the implementation seems to be problematic. For this reason I developed different approaches to integrate specific interactions in the modelling process and compared these with a model which neglects the interaction. I could show that considering biotic interactions leads to less projected suitable areas and larger potential losses of the target species than a negligence of essential interaction partners and therewith to potentially more realistic results. In the case of habitat types the question “How can we handle complex entities?” arises. To answer this question two principally different modelling approaches were developed: the indirect approach – modelling the distribution of a habitat type using the distribution of its characteristic plant species – and the direct approach – using the distribution of the habitat itself. Both approaches were tested by modelling five grassland habitat types defined by the EU Habitats Directive. Both approaches produce reasonable results, though the indirect approach is at least restricted by the required but actually lacking amount of plant distribution data. Methodological improvements of species distribution models are an essential step to receive more realistic results. However, the knowledge of ecological conditions required by a certain species, i.e. the assumptions about the niche, provides the basis for all models. Ecological demands can differ across large (such as continental) spatial scales and the current knowledge is mainly restricted to a few well-studied species. Hence, also in times of progressing climate change it is worth to focus on monitoring programs and experiments to gain further knowledge on a species` niche. The main focus of this thesis is on the estimation of potential distribution changes of protected animal species caused by climatic changes. It considers thereby not only the assumed relation between climatic conditions and the current distribution, but also integrates further distribution-determining aspects. For this purpose, different approaches were developed and compared. This work contributes to a more comprehensive understanding of the range influencing environmental factors in times of global climate change and therewith to an enhanced basis for actions for nature conservation measurements.