Title data
Conrad, Dominik:
Erfahrungsbasiertes Verstehen geowissenschaftlicher Phänomene : eine didaktische Rekonstruktion des Systems Plattentektonik.
Bayreuth
,
2014
. - 250 P.
(
Doctoral thesis,
2014
, University of Bayreuth, Faculty of Biology, Chemistry and Earth Sciences)
|
|||||||
Download (3MB)
|
Abstract
Viele geowissenschaftliche Phänomene sind aufgrund ihrer zeitlichen und räumlichen Dimensionen nicht unmittelbar erfahrbar (vgl. FELZMANN 2013). Gemäß der Theorie des erfahrungsbasierten Verstehens (LAKOFF & JOHNSON 1980; JOHNSON 1987; LAKOFF &JOHNSON 1999; GROPENGIESSER 2006; 2007) ist das Verstehen solcher nicht direkt verständlicher Bereiche nur durch metaphorische Übertragung sensomotorischer Erfahrungen aus direkt verständlichen Quellbereichen möglich. Insbesondere bei Unterrichtsthemen, die den Einsatz von Metaphern und Analogien erfordern, ist die Verwendung geeigneter verkörperter Begriffe als Quellbereich der metaphorischen Übertragung von großer Bedeutung für den den Aufbau einer aus wissenschaftlicher Sicht angemessenen Vorstellung (vgl. NIEBERT, MARSCH & TREAGUST 2012). Damit sollte der Theorie des erfahrungsbasierten Verstehens bei der Konzeption von Lernangeboten zu geowissenschaftlichen Phänomenen eine zentrale Rolle zukommen. Ein Ziel der vorliegenden Dissertation war es, auf Basis der geschilderten theoretischen Perspektive didaktische Leitlinien zur Vermittlung der dem Verständnis einer Vielzahl geowissenschaftlicher Phänomene zugrunde liegenden Theorie der Plattentektonik zu entwickeln. Als Forschungsrahmen diente das Modell der didaktischen Rekonstruktion (KATTMANN, DUIT,GROPENGIESSER & KOMOREK 1997; KATTMANN 2007). Die Auswertung der 15 zur Erfassung der Lernerperspektive mit Schüler_innen der 9. Jahrgangsstufe des bayerischen Gymnasiums durchgeführten problemzentrierten Einzelinterviews (WITZEL 2000) erfolgte wie die Auswertung des bei der fachlichen Klärung herangezogenen Quellenmaterials (GROTZINGER, JORDAN, PRESS & SIEVER 2008; TARBUCK & LUTGENS 2009; FRISCH & MESCHEDE 2011; HÖINK, JELINEK & LENARDIC 2011) mittels einer Kombination aus qualitativer Inhaltsanalyse (GROPENGIESSER 2005; KRÜGER & RIEMEIER 2014) und systematischer Metaphernanalyse (SCHMITT 2003; NIEBERT 2010). Auf diese Weise wurden neben den Vorstellungen auf einer unterrichtsrelevanten Ebene auch die den Vorstellungskonstruktionen zugrunde liegenden Quellbereiche rekonstruiert. Beim Erfassen von Lernerperspektiven wurde zudem mittels einer in Anlehnung an die Vorgehensweise von MÜLLER (1998) sowie HERRERA und RIGGS (2013) durchgeführten Analyse der Gestik ein weiteres Fenster zu den verkörperten Kognitionen der Schüler_innen genutzt. Durch die kognitionslinguistische Analyse (GROPENGIESSER 1999, RIEMEIER 2005) des zentralen Wortes „Platte“ konnte zudem dessen lebensweltliches Verständnis und mögliche Schwierigkeiten bei der Nutzung der Basiskategorie Platte in Bezug auf Vorstellungskonstruktionen zu Lithosphärenplatten erfasst werden. Im Rahmen der didaktischen Strukturierung erfolgte ein systematischer Vergleich der Schülervorstellungen mit der Perspektive der Wissenschaft, der die Grundlage der Erstellung didaktischer Leitlinien bildete. Hierbei wurde der Fokus auf die Aktivierung für das Verständnis geeigneter verkörperter Begriffe gelegt (vgl. NIEBERT et al. 2012). Ein weiteres, übergreifendes Ziel der vorliegenden Dissertation bestand darin, den Nutzen der Theorie des erfahrungsbasierten Verstehens hinsichtlich der Analyse und Prognose typischer Lernschwierigkeiten in geowissenschaftlichen Kontexten zu untersuchen. CHEEK (2010) sieht eine zentrale Lernschwierigkeit bei geowissenschaftlichen Inhalten in einer unangemessenen Übertragung von Alltagswissen auf geowissenschaftliche Phänomene. Im Rahmen dieser Dissertation wird diese unangemessene Übertragung von Alltagswissen mithilfe der Theorie des erfahrungsbasierten Verstehens untersucht. Zu diesem Zweck wurden Spezifika geowissenschaftlicher Inhalte herausgearbeitet und mit der Theorie des erfahrungsbasierten Verstehens in Beziehung gesetzt. Hierbei wurden deduktiv vier Hypothesen zu Kategorien von Lernschwierigkeiten in geowissenschaftlichen Kontexten entwickelt. Die Ergebnisse von drei geographiedidaktischen Forschungsarbeiten wurden unter der Fragestellung reanalysiert, ob diese vier deduktiv entwickelten Kategorien geeignet sind, Lernschwierigkeiten der Schüler_innen zu erklären. Bei den reanalysierten Studien handelt es sich neben der im Rahmen dieser Dissertation angefertigten didaktischen Rekonstruktion der Plattentektonik um die didaktische Rekonstruktion des Passatkreislaufs (BASTEN 2013) sowie die didaktische Rekonstruktion von Gletschern und Eiszeiten (FELZMANN 2013). Die Befunde deuten darauf hin, dass alle vier aufgestellten Kategorien geeignet sind, die Ursachen möglicher im Geographieunterricht auftretender Lernschwierigkeiten zu erklären.
Abstract in another language
Many structures and processes related to geoscience cannot be perceived directly because of their spatial and temporal dimensions (FELZMANN 2013). According to the theory of experientialism (LAKOFF & JOHNSON 1980; JOHNSON 1987; LAKOFF & JOHNSON 1999; GROPENGIESSER 2006; 2007) they can only be understood on an imaginary level. Especially for topics, which can only be understood with the help of metaphors and analogies, embodied conceptions are adequate source domains in order to foster scientific correct conceptions (NIEBERT, MARSCH & TREAGUST 2012). According to this, theory of experientialism should play a key role for the development of teaching strategies for geoscience topics. Nevertheless there has been only little research in geoscience education to date using theory of experientialism systematically (BASTEN, CONRAD & FELZMANN 2013, p. 66). In this dissertation the theoretical framework is based on theory of experientialism. The model of educational reconstruction (KATTMANN, DUIT, GROPENGIESSER & KOMOREK 1997; KATTMANN 2007) was used to develop didactical guidelines for teaching plate tectonics in geography class. Students` conceptions of plate tectonics have been investigated by using qualitative interviews (WITZEL 2000). I analyzed these interviews with a combination of qualitative content analysis (GROPENGIESSER 2005; KRÜGER & RIEMEIER 2014), systematic metaphor analysis (SCHMITT 2003; NIEBERT 2010) and systematic analysis of gesture (MÜLLER 1998; HERRERA & RIGGS 2013). By this means I could identify students` central conceptions as well as the source domains used by students to construct these conceptions. In addition I examined the central term `Platte´(engl. `plate´) using cognitive linguistic analysis in order to identify difficulties using the basis category ‘plate’ as a source domain for understanding tectonic plates. For scientific clarification three textbooks (GROTZINGER, JORDAN, PRESS &SIEVER 2008; TARBUCK & LUTGENS 2009; FRISCH & MESCHEDE 2011) and one scientific paper (HÖINK,JELINEK & LENARDIC 2011) have been analyzed with a combination of qualitative content analysis and systematic metaphor analysis. The comparison of scientific and learners’ perspectives lead to the development of educational guidelines for teaching plate tectonics with a focus on the activation of eligible embodied sources (NIEBERT et al. 2012). A further goal of this dissertation has been to analyze the benefit of experientialism theory for analyzing and predicting typical learning barriers in the context of geoscience. According to CHEEK (2010) a central barrier for understanding geoscience contents is an inaccurate transfer of everyday notions to geoscience phenomena. Theory of experientialism is used to interpret these transfers. Four hypotheses on categories of reasons for learning barriers within geoscience contents were developed by combining this theory with the specifics of the discipline geoscience. The results of three geoscience education studies were reanalyzed to explore, whether these deductively developed categories can interpret learning barriers. The analyzed studies dealt with students’ conceptions about trade winds (BASTEN 2013), glaciers/ice ages (FELZMANN 2013) and plate tectonics, the latter being investigated in this dissertation. The results of the reanalysis show, that all developed categories of learning barriers can explain typical learning difficulties in geography class.