Title data
Scharnagel, Dagmar:
Chirale, rigide Diamine : Von Liganden zu Bispidin-Naturstoffen.
Bayreuth
,
2018
. - II, 437 P.
(
Doctoral thesis,
2017
, University of Bayreuth, Faculty of Biology, Chemistry and Earth Sciences)
|
|||||||||
Download (264MB)
|
Project information
Project financing: |
Deutsche Forschungsgemeinschaft Beilstein-Institut zur Förderung der Chemischen Wissenschaften |
---|
Abstract
Chirale Bispidine, eine faszinierende Klasse rigider Diamine mit einem 3,7-Diazabicyclo[3.3.1]nonan-Grundgerüst, standen im Fokus dieser Arbeit. Sie bilden nicht nur eine Gruppe von Naturstoffen mit interessanter Struktur und vielfältigen Bioaktivitäten, sondern finden – wie der prominenteste Vertreter, (‒)-Spartein, und davon abgeleitete artifizielle Derivate – auch Anwendung als potente Liganden in der enantioselektiven Synthese und Katalyse. Bislang fehlt jedoch ein allgemeiner und flexibler Zugang zu dieser Substanzklasse, was sowohl die Suche nach maßgeschneiderten, leistungsfähigeren Liganden als auch die Totalsynthese dieser Naturstoffe äußerst erschwert. Diese Probleme zu lösen war die Motivation der vorliegenden Dissertation. Ein Ziel war die Entwicklung neuer Liganden – sowohl von strukturell stark vereinfachten Bispidin-Ersatzstoffen als auch von neuartigen Bispidinen – für die enantioselektive Katalyse. Darüber hinaus sollte ein modularer Zugang zu Bispidinen-Naturstoffen erarbeitet werden, der eine effiziente Totalsynthese möglichst vieler Vertreter dieser Klasse erlaubt. Teilprojekt 1: Suche nach Bispidin-Ersatzstoffen für die enantioselektive Katalyse Obwohl ein Bispidin und ein 5-cis-substituiertes Prolinamin unterschiedliche Strukturen besitzen, ähneln sich die chiralen Umgebungen, die sie als Ligand in einem Metall-Komplex generieren, stark. Daher war geplant, die Prolinamine zu synthetisieren und als vereinfachte Bispidin-Ersatzstoffe in der enantioselektiven Übergangsmetall-Katalyse zu testen. Ausgehend von L-Pyroglutaminsäure wurden drei modulare Routen zu etabliert, die sich in der Reihenfolge unterscheiden, mit der die Reste R1 bis R4 eingeführt werden. Diese Sequenzen ermöglichten die Darstellung von insgesamt mehr als 30 verschiedenen Prolinaminen über fünf bis zehn Stufen mit bis zu 64% Gesamtausbeute. Die Prolinamine wurden als chirale Liganden in Cu-katalysierten Henry-Reaktionen evaluiert. Die besten Ergebnisse lieferte ein 5-cis-Phenyl-substituiertes Derivat. Durch Optimierung der Reaktionsbedingungen gelang es, ein Katalysatorsystem zu entwickeln, das in dieser Reaktion bisher unerreichte Enantiomerenüberschüsse erzielt. In der Umsetzung von 36 verschiedenen aromatischen, heteroaromatischen, vinylischen und alkylischen Aldehyden konnten die entsprechenden β-Nitroalkohole in über 90% Ausbeute und mit jeweils ausgezeichneten 99% ee erhalten werden. Teilprojekt 2: Entwicklung von artifiziellen Bispidin-Liganden für die enantioselektive Synthese und Katalyse Zur effizienten Darstellung verschiedener artifizieller Bispidin-Liganden wurde erstmals ein modularer Zugang realisiert. Zunächst wurde das Schlüsselintermediat, ein chirales Bispidin-Imid, ausgehend von einer Auxiliar-verknüpften β-Aminosäure in 48% Gesamtausbeute über fünf Stufen aufgebaut. Daran ließen sich stereoselektiv unterschiedliche endo-ständige Ringe und Substituenten anbringen, was drei neue Liganden sowie den bekannten (‒)-Spartein-Ersatzstoff lieferte. Das Potenzial der beiden neuartigen Liganden, die einen anellierten Pyrrolidin-Ring tragen, wurde in enantioselektiven Deprotonierungs-Reaktionen mit dem der Paradeliganden (‒)-Spartein und des Ersatzstoffs verglichen. Die Enantiomerenüberschüsse in Gegenwart der neuen Liganden waren allerdings gering (≤52% ee vs. ≤96% ee), was bestätigt, dass ein endo-anellierter Piperidin-Ring in solchen Reaktionen essenziell für einen effektiven Chiralitätstransfer ist. In enantioselektiven, Cu-katalysierten Henry-Reaktionen hingegen erzielte eines der neuartigen Bispidine als chiraler Ligand ausgezeichnete Ergebnisse. Die Umsetzung verschiedener aromatischer, heteroaromatischer, vinylischer und aliphatischer Aldehyde mit Nitromethan lieferte die Produkte in 80‒99% Ausbeute und bis zu 99% ee. Auch für enantio- und diastereoselektive Nitroaldol-Reaktionen war der Katalysator gut geeignet (bis zu 72% de, über 96% ee in beiden Diastereomeren). Weiterhin wurde das Potenzial des Liganden an vier Substraten direkt mit dem von (‒)-Spartein und dem des Ersatzstoffs verglichen. Dabei zeigte sich, dass das neue Diamin (85‒98% ee) den etablierten Liganden (45‒96% ee) überlegen und damit der leistungsfähigste Bispidin-Ligand in dieser Umsetzung ist. Teilprojekt 3: Totalsynthese von Bispidin-Naturstoffen (Bischinolizidin-Alkaloiden) Aufbauend auf den Erfolgen bei der Darstellung der artifiziellen Bispidin-Liganden wurde auch für Bispidin-Naturstoffe ein effizienter und modularer Zugang erarbeitet, der auf einer „Inside-out“-Strategie basiert. Dabei erfolgte zunächst der Aufbau des chiralen Grundgerüsts, an dem die für jedes Derivat charakteristischen Strukturelemente angebracht wurden. Da in den Naturstoffen beide enantiomere Formen des zentralen Bispidin-Kerns vorkommen, wurden beide Enantiomere eines Diimids durch Desymmetrisierung von Tetraoxobispidin jeweils über fünf Stufen in 34% Ausbeute dargestellt. Daran wurde in sechs Stufen mit 35% Ausbeute ein Pyridon-Ring aufgebaut. Aus den Schlüsselintermediaten konnten verschiedene Naturstoffe synthetisiert werden. Dazu wurden Sequenzen etabliert um stereoselektiv endo-anellierte Piperidin-Ringe wie in α-Isospartein und Thermopsin, exo-anellierte Piperidin-Ringe wie in β-Isospartein und Anagyrin sowie einen exo-ständigen Allyl-Rest wie in Tinctorin anzubringen. Insgesamt konnten über diesen effizienten Zugang 15 Bispidin-Alkaloide dargestellt werden – davon 12 in enantiomerenreiner Form. Ein besonderer Erfolg war die erstmalige enantioselektive Totalsynthese von α-Isospartein, Anagyrin und Tinctorin.
Abstract in another language
Chiral bispidines, a fascinating class of rigid diamines with a 3,7-diazabicyclo[3.3.1]nonane backbone, were the focus of my work. They form a group of natural products with interesting structures and diverse bioactivities. The most prominent representative, (‒)-sparteine, and artificial derivatives thereof are also potent ligands in enantioselective synthesis and catalysis. A general and flexible route that permits access to this substance class is, however, currently lacking. The search for tailor-made, more efficient ligands as well as the total synthesis of these natural products is thus very laborious. The motivation for the present dissertation was to solve these problems. The first goal was the development of new ligands – both structurally strongly simplified bispidine surrogates and novel bispidines – for enantioselective catalysis. Secondly, a modular approach enabling the efficient total synthesis of bispidine natural products was to be developed. Subproject 1: Search for bispidine surrogates for enantioselective catalysis Although the structures of a bispidine and a 5-cis-substituted prolinamine are quite different, the chiral environments they generate as a ligand in a metal complex should be very similar. The prolinamines were therefore synthesised and tested as simplified bispidine surrogates in enantioselective transition metal catalysis. Three modular routes, which differ in the order of introduction of the substituents R1 to R4, were established starting from L-pyroglutamic acid. These sequences allowed for the preparation of more than 30 different prolinamines in five to ten steps and up to 64% overall yield. The prolinamines were evaluated as chiral ligands in Cu-catalysed Henry reactions. A 5-cis-phenyl-substituted derivative provided the best results. By optimising the reaction conditions, a catalytic system was developed which enabled unprecedented enantioselectivities in this transformation. The addition of nitromethane to 36 different aromatic, heteroaromatic, vinylic and alkylic aldehydes delivered the corresponding β-nitro alcohols in more than 90% yield with excellent 99% ee. Subproject 2: Development of artificial bispidine ligands for enantioselective synthesis and catalysis The first modular approach for the efficient preparation of various artificial bispidine ligands was developed. The key intermediate, a chiral bispidine imide, was constructed in 48% yield over five steps from an auxiliary-modified β-amino acid. Stereoselective attachment of different endo-annulated rings and substituents delivered three new ligands as well as the known (‒)-sparteine surrogate. The potential of the two novel ligands, which possess a fused pyrrolidine ring, was compared with that of the prime ligands (‒)-sparteine and the surrogate in enantioselective deprotonation reactions. Yet the enantiomeric excesses were low in the presence of the new ligands (≤52% ee vs. ≤96% ee), confirming that an endo-fused piperidine ring is essential for an effective chirality transfer in this kind of reaction. One of the novel bispidines, however, provided excellent results as the chiral ligand in enantioselective Cu-catalysed Henry reactions. The transformation of various aromatic, heteroaromatic, vinylic and aliphatic aldehydes with nitromethane delivered the products in 80‒99% yield with up to 99% ee. The catalyst also proved to be suited for enantio- and diastereoselective nitroaldol reactions (up to 72% de, more than 96% ee in both diastereomers). In addition, the performance of the ligand was directly compared to that of (‒)-sparteine and the surrogate using four substrates. It was found that the new diamine (85‒98% ee) is superior to the established ligands (45‒96% ee) and thus the most powerful bispidine ligand for this reaction. Subproject 3: Total synthesis of bispidine natural products (bisquinolizidine alkaloids) To extend on the successful preparation of artificial bispidine ligands, an efficient and modular access to bispidine natural products was developed, based on an "inside-out" approach. Within this strategy the chiral backbone is constructed first, followed by the attachment of the characteristic structural elements of each derivative. Since both enantiomeric forms of the central bispidine core occur in the natural products, both enantiomers of a diimide were prepared by desymmetrisation of tetraoxobispidine over five steps in 34% yield each. The installation of a pyridone ring was achieved with 35% yield over six steps. Several sequences were established for the synthesis of various natural products, starting from the key intermediates. They permit the stereoselective attachment of endo-fused piperidine rings as in α-isosparteine and thermopsine, of exo-annulated piperidine rings as in β-isosparteine and anagyrine, and of an exo-allyl substituent as in tinctorine. In total 15 bispidine alkaloids – 12 of them in enantiopure form – were prepared via this efficient approach. A notable success was the first enantioselective total synthesis of α-isosparteine, anagyrine and tinctorine.