Title data
Boluwaduro, Eniola Olamide:
(Non)Adherence in Doctor/Patient Interactions in Nigerian HIV Clinics.
2018
. - 220 P.
(
Doctoral thesis,
2018
, University of Bayreuth, Faculty of Languages and Literature)
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Project information
Project financing: |
Stabsabteilung Chancengleichheit, University of Bayreuth |
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Abstract
In the context of chronic-routine doctor/patient consultations, interactions are focused on care and support for the patients, which is achieved when patients periodically attend the routine consultations and adhere to medical recommendations. This study examines the consultations between female HIV-positive patients and doctors/counsellors in outpatient clinics covering Nigeria’s south-western geo-political zone. It specifically discusses the interactional activities prevalent in the consultations, and participants’ (doctors, counsellors and patients) views on patients’ adherence behaviours, as recovered from interview data. Using insights from conversation analysis (CA) and socio-cognitive theory (SCT) as methodological and theoretical backgrounds respectively, this study qualitatively analyzes transcribed data derived from seventy audio recordings of doctors’ conversations with female HIV-positive patients. Supplementary data include seventeen semi-structured interviews with the research participants, which were subjected to inductive thematic analysis. This study also considers data from patients’ case notes, current reports on HIV/AIDS in Nigeria from international organizations, and participant observations. Findings from this study reveal that the notion of adherence is a multi-dimensional concept that entails both adherence to medications and compliance with other medical recommendations (including regular clinic visits and CD4 count cell tests). Taken together, these expectations are used as indicators of patients’ willingness to take an active role in adhering to treatment regimens. While doctors make provision for solicitation of patients’ medical concerns among others pertinent concerns in the consultations, the opening phases, history-taking phases and treatment discussion phases are majorly contextualized by one central objective: doctors’ expectations of patients’ nonadherence to medical recommendations. Participants orient to this expectation as they negotiate interactional trajectories that seek to address patients’ nonadherence through practices of accusations, and explicit and implicit references to adherence during medical history-taking. When patients are accused of nonadherence, they often respond by justifying their behaviours with accounts. However, responses are more cooperative when accusations are absent. During treatment discussions, adherence is ensured through instructions on drug use, explanations about the importance of regularly conducting CD4 count cell tests and planning next appointments to the clinics. These findings are further supported by results from the analysis of interview data which show that doctors and counsellors constantly work with the beliefs that patients’ nonadherent behaviours do exist, and can be attributed to their social situations, including subjective beliefs about illness. Another significant finding is that patients who indulge in alternative therapeutic options do so in pursuit of optimizing positive treatment outcomes. Hence, they treat these alternative options as facilitator and motivators for optimizing the outcome of treatment regimens. However, doctors and counsellors view these options as barriers to adherence. It is suggested that doctors and counsellors view patients’ adherence behaviours by subscribing to their subjective beliefs. This study contributes to the discourse on doctor/patient consultations in Nigeria by discussing how these adherence-related interactional dynamics are negotiated between doctors, patients and counsellors in the routine medical context of HIV consultations in south-western Nigeria.
Abstract in another language
In ambulanten Routinekontrollsprechstunden zur Behandlung chronisch erkrankter Patient/innen stehen das Krankheitsmanagement und die Prävention eines ungünstigen Krankheitsverlaufs im Vordergrund. U. a. bei HIV-Patient/innen gilt dabei für einen dauerhaften Therapieerfolg, dass die ärztlichen Sprechstunden in regelmäßigen Abständen aufgesucht und therapeutische Empfehlungen befolgt werden sollen und ferner, dass die obligatorische antiretrovirale Medikation (ART) täglich eingenommen werden muss. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit Routinegesprächen zwischen auf HIV spezialisierten Mediziner/innen und weiblichen HIV-Patientinnen, die im südwestlichen Nigeria in klinischen Ambulanzen stattfanden. Aus einem gesprächsanalytischen Zugang heraus werden interaktionale Aktivitäten fokussiert, die für diese HIV-Sprechstunden konstitutiv sind. Ausgehend von Beobachtungen am authentischen Datenmaterial wird v. a. die Fragestellung verfolgt, mit welchen sprachlich-interaktiven Verfahren Ärzt/innen Adhärenz thematisieren, erfragen oder unterstellen bzw. wie die Medikamentenadhärenz der Patientinnen im Gespräch relevant gesetzt und ausgehandelt wird. Die Arbeit ist methodologisch in der Konversationsanalyse (Conversation analysis, CA) und in der Soziokognitiven Theorie (socio-cognitive theory, SCT) verankert. Das Datenmaterial - 70 Audio-Aufnahmen von HIV-Sprechstunden - wurde zunächst transkribiert und dann qualitativ, nach einem sequenziellen, induktiven Vorgehen ausgewertet. Zusätzliches Datenmaterial zur Analyse waren 17 semi-strukturierte Interviews mit Informant/innen der Studie, die inhaltsanalytisch ausgewertet wurden. Ferner dienten Informationen aus den Patientenakten, schriftliches Informationsmaterial von Nichtregierungsorganisationen über HIV/AIDS sowie Feldtagebucheinträge aus einer teilnehmenden Beobachtung als ethnographisches Datenmaterial. Die Analyse zeigt, dass Adhärenz im Rahmen in den untersuchten Gesprächen ein multidimensionales Konzept ist, das sowohl Medikamententreue als auch das Befolgen anderer therapeutischer Empfehlungen und das Realisieren ärztlicher Erwartungen an das patientenseitige Krankheitsmanagements umfasst (v. a.: regelmäßig die ärztliche Sprechstunde aufsuchen und den CD4-Zellstand als Indikator des HIV-spezifischen Gesundheitszustands messen lassen). Das Umsetzen ärztlicher Erwartungen wird als gleichbedeutend mit einem funktionalen Krankheitsmanagement angesehen und – teils implizit – als Indikator für medikamentöse Compliance behandelt. Während den Anliegen der Patientinnen v. a. in der Eröffnungsphase des Gesprächs Raum gegeben werden kann, sind die Aktivitäten der Anamnese und Beschwerdenexploration sowie der Therapieentscheidung maßgeblich durch adhärenzbezogene Aushandlungen geprägt. Übergreifend kommunizieren die Ärzt/innen hierbei häufig mehr oder weniger direkt die Erwartung, dass Patient/innen nicht adhärent seien. In anamnestischen Sequenzen sind neben expliziten adhärenzprüfenden Fragen (nach dem Muster „Haben Sie Ihre Medikamente eingenommen?“) auch Anschuldigungen und Vorwurfshandlungen belegt. Patient/innen reagieren auf diese mit rechtfertigenden Erklärungen für unerwünschtes gesundheitsbezogenes Handeln. Allerdings sind Patient/innen kooperativer im Sinne eines gemeinsamen Krankheitsmanagements, wenn Ärzt/innen indirektere Strategien (wie Fragen über den letzten Termin) wählen, um etwas über die Adhärenz der Patientin in Erfahrung zu bringen. Während der Therapieentscheidung wird weniger die vergangene als vielmehr die zukünftige Adhärenz der Patientinnen relevant, obgleich auch hier die Erwartung der Nicht-Adhärenz im Hintergrund steht: Ärzt/innen motivieren die Patientinnen dazu, die Medikamente (weiter) einzunehmen, indem sie das Fortführen der Einnahme direkt anweisen. Weiterhin wird die Adhärenz durch ärztliche Erklärungen über die Relevanz der regelmäßigen ART-Einnahme sowie durch Planungssequenzen zur Terminabsprache zu sichern versucht. Erklärungen für das Vorkommen dieser sprachlich-interaktiven Verfahren der Adhärenzsicherung finden sich in den untersuchten Interviews: Diese zeigen, dass Ärzt/innen und HIV-Berater/innen häufig die Annahme formulieren, dass Nicht-Adhärenz unter HIV-Patientinnen weit verbreitet ist – eine Annahme, die durch Fragebogenstudien zu adhärenzbezogenem Verhalten unter nigerianischen HIV-Patient/innen gestützt wird. Die institutionellen Akteur/innen attribuieren diese auf psycho-soziale Bedingungen sowie auf die z. T. biomedizinfernen subjektiven Krankheitstheorien der Patientinnen. Die Auswertung der Interviews zeigt hiermit zusammenhängend weiterhin, dass Patientinnen alternative Therapieformen wählen, um die Wahrscheinlichkeit eines dauerhaften Therapieerfolgs zu erhöhen: Sie behandeln alternative Therapieoptionen als Katalysator der biomedizinischen ART-Therapie. Dagegen sehen HIV-Berater/innen wie Ärzt/innen den Einsatz alternativer Therapien durchweg als hinderlich für ein optimales Therapieergebnis an. Aus angewandter Perspektive kann aus den Befunden abgeleitet werden, dass Ärzt/innen und Berater/innen die subjektive Perspektive von Patient/innen einbeziehen sollten, um Nichtadhärenz, aber auch besondere Motivationen für funktionales gesundheitsbezogenes Handeln in Erfahrung zu bringen. Allgemein trägt die vorliegende Arbeit durch die Untersuchung von HIV-Kontrollsprechstunden zur Erforschung des HIV-Diskurses im südwestlichen Nigeria bei. Durch den Fokus auf sprachlich-interaktive Phänomene in ärztlichen Gesprächen kann gezeigt werden, wie große medizinisch-diskursive Themen wie HIV/AIDS – und hiermit zusammenhängend: ART-Adhärenz – im „Klein-Klein“ eines rekurrent auftretenden Interaktionsereignisses relevant gemacht und ausgehandelt werden.